Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsschutzrechtliche Pflichten des Stammunternehmens bei Arbeitnehmerüberlassung an den Subunternehmer
Normenkette
RVO §§ 636-637, 640-641; SGB § 110 Abs. 1; AÜG § 11 Abs. 6; UVV § 8 Abs. 3, § 10 Abs. 1, § 12 Abs. 1 und 3; BGB §§ 254, 276, 278, 618
Verfahrensgang
LG Stralsund (Aktenzeichen 7 O 102/97) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten zu 2) und 3) gegen das am 17.12.1997 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des LG Stralsund – 7 O 102/97 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagten zu 2) und 3) tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten zu 2) und 3) können die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 3.200 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Das Urteil beschwert die Beklagten zu 2) und 3) im Wert von 101.755 DM.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagten zu 2) und 3) gem. §§ 640, 641 RVO wegen Aufwendungen in Regress, die ihr als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung durch einen Arbeitsunfall des Versicherten T.W. entstanden sind bzw. künftig entstehen werden.
Als der Geschädigte am 26.10.1994 bei Dacharbeiten am Haus Wiesenstraße 7 in R. vom Dach fiel, waren wichtigste Bestimmungen der Unfallverhütungsvorschrift „Bauarbeiten” (VBG 37) (künftig: UVV) nicht eingehalten. Entgegen §§ 12, 8 Abs. 3 fehlten jegliche Absturzsicherungen oder Auffangvorrichtungen. Als Verkehrsweg (§ 10) zum Erreichen der Dachfläche diente eine Verlängerungsschiene des Anlegeaufzuges. Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, wer neben dem Bauleiter (Beklagter zu 1)) für diese Missstände verantwortlich war.
Die Klägerin hat die Haftung der Beklagten zu 2) und 3) mit der Behauptung begründet, dass der Geschädigte die Dacharbeiten als Arbeitnehmer der Beklagten zu 3) und unter der Bauaufsicht des Beklagten zu 1) ausgeführt habe. Den früheren Geschäftsführer des Arbeitgebers, den Beklagten zu 2), treffe der Vorwurf grob fahrlässiger Nichteinhaltung der Sicherheitsvorschriften und ein Organisationsverschulden bei Auswahl und Überwachung des Aufsichtsführenden.
Nach Erlass eines rechtskräftigen Teilversäumnisurteils gegen den Beklagten zu 1) hat die Klägerin beantragt.
1. die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner neben dem Beklagten zu 1) zu verurteilen, an sie 79.555,50 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagten zu 2) bis 3) als Gesamtschuldner neben dem Beklagten zu 1) verpflichtet sind, ihr – der Klägerin – die Kosten für sämtliche weiteren Leistungen zu erstatten, die sie als Folge des Arbeitsunfalles des Versicherten T.W. auf der Baustelle Wiesenstraße 7 in R. am 26.10.1994 durch den Absturz vom Dach eines Mehrfamilienhauses gegenwärtig und zukünftig zu erbringen haben wird, sofern diese den Anspruch gem. Ziffer 1. überschreiten.
Die Beklagten zu 2) und 3) haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben ihre Zuständigkeit für Bauaufsicht und Arbeitsschutz in Abrede genommen. Der Bauauftrag, so haben sie behauptet, sei mit Subunternehmervertrag vom 20.10.1994 an die DFK GmbH (künftig: DFK) weitergegeben worden. Diese habe den Beklagten zu 1) mit der Bauausführung beauftragt. Der Erstbeklagte habe die Baustelle als selbstständiger Unternehmer geleitet. Da er nicht über genügend eigene Arbeitskräfte verfügt habe, sei er an sie, die Beklagte zu 3), mit der Bitte um Überlassung von Arbeitskräften herangetreten. Dem habe sie entsprochen und den Arbeitnehmer W. für die Baustelle in R. abgestellt. Den Beklagten zu 1) habe sie immer wieder durch ihre Angestellten, auch durch den Beklagten zu 2) und insbesondere auch vor der Überlassung des erst kurz zuvor eingestellten Arbeitnehmers W., auf die Notwendigkeit hingewiesen, die UVV einzuhalten und für die Absicherung der Baustelle zu sorgen. Auf die Beachtung dieser Hinweise habe sie auch deshalb vertrauen dürfen, weil sie schon in der Vergangenheit mit dem Beklagten zu 1) ähnliche Geschäfte getätigt habe. Im Übrigen sei der Arbeitnehmer W. bei seiner Einstellung über die UVV belehrt worden.
Das LG hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen K.S. und T.W. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 19.11.1997 (Bl. 51–55 d.A.) Bezug genommen.
Das LG hat mit dem als Endurteil bezeichneten Schlussurteil vom 17.12.1997 auch die Beklagten zu 2) und 3) antragsgemäß verurteilt.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass bei Leiharbeitsverhältnissen das Stammunternehmen neben dem entleihenden Fremdunternehmen dem Rückgriffsanspruch nach § 640 RVO unterworfen sei. Die ordentlichen Gerichte seien an die Entscheidung der zuständigen Versicherungsbehörden gebunden, ob ein entschädigungspflichtiger Unfall vorliege und in welchem Umfang von welchem Versicherungsträger Entschädigungsleistungen zu gewähren seien. Die vollkommene Außerachtlassung der UVV, die – wie hier – vor tödlichen Gefahren schützen sollen, sei in höchstem Maße sorgfaltswidrig gewesen. Den Beklagten zu 2) treffe de...