Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Konkurrenz zwischen Jugend- und Sozialhilfe bei Heimpflege gemäß § 34 SGB VIII eines geistig behinderten Jugendlichen
Leitsatz (amtlich)
Ist aufgrund der bei dem Hilfeempfänger vorhandenen geistigen Behinderung konkret keine Unterbringung in einem Heim erforderlich, entsteht auf der Bedarf- bzw. Anspruchsseite keine Konkurrenzsituation, die die Vor- und Nachrangregel des § 10 Abs. 4 SGB VIII eingreifen ließe.
Normenkette
SGB VIII §§ 34, 10 Abs. 4
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 22. Februar 2006 – 10 K 54/05 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Antragsverfahrens trägt der Kläger.
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor bezeichnete erstinstanzliche Urteil, durch das seine Klage, den Beklagten zu verurteilen, ihm die Kosten der Heimpflege des Markus H. (im folgenden: Hilfeempfänger) gemäß den §§ 27, 34 SGB VIII in der Zeit vom 3.2.2004 bis zur Übernahme des Hilfefalles in die Zuständigkeit des Beklagten aufgrund dessen Zuständigkeit nach den §§ 39, 40 BSHG (nebst Prozesszinsen) zu erstatten, bleibt erfolglos.
Keiner der von dem Kläger genannten Zulassungsgründe im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO liegen vor.
1. Die von ihm geltend gemachten ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung greifen nicht durch.
Das Verwaltungsgericht hat im einzelnen ausführlich dargelegt, dass Ansprüche des Klägers nach den §§ 102 bis 105 SGB X nicht bestehen. Hinsichtlich eines Anspruchs nach § 104 SGB X, auf den sich die Ausführungen des Klägers in seinem Zulassungsvorbringen allein beziehen, hat es ausgeführt, die Vor- beziehungsweise Nachrangregel des § 10 Abs. 4 SGB VIII greife auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – Urteil vom 23.9.1999 – 5 C 26/98 – nicht, da keine Ansprüche des Hilfeempfängers sowohl gegen den Träger der Jugendhilfe als auch gegen den Träger der Sozialhilfe gegeben seien, die auf die gleiche Leistung gerichtet seien.
Der Hilfeempfänger habe, nachdem seiner Mutter im wesentlichen mit Blick auf dessen Vernachlässigung und Unterernährung das Sorgerecht entzogen und dem Kläger übertragen worden sei, gegen den Kläger einen Anspruch nach den §§ 27, 34 SGB VIII auf Unterbringung in einem Heim oder einer anderen geeigneten Wohnform im Sinne dieser Vorschrift gehabt. Aus den Förderplänen gehe hervor, dass bei dem Hilfeempfänger eine deutliche allgemeine Entwicklungsverzögerung nach einer frühkindlichen Deprivation vorliege, weshalb verschiedene Maßnahmen (u.a. heilpädagogische Maßnahmen, Spieltherapie und Ergotherapie) eingeleitet worden seien.
Eine die stationäre Unterbringung des Hilfeempfängers in einem Heim (oder in einer Wohnform des § 34 SGB VIII) umfassende Leistungsverpflichtung des Beklagten ergebe sich indessen nicht, so dass sich vorliegend keine gleichen, gleichartigen beziehungsweise deckungsgleichen Maßnahmen gegenüber stünden mit der Folge, dass sich der Kläger nicht auf § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII berufen könne. Der Hilfeempfänger habe im fraglichen Zeitraum keinen Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 39 BSHG (jetzt: § 53 SGB XII) in Form der Heimpflege, weil Art und Schwere seiner geistigen Behinderung dies nicht erforderten. Aus den ärztlichen Bescheinigungen vom 27.1.2005 und vom 28.9.2005 sowie dem Hilfeplan vom 10.7.2003 gehe hervor, dass Art und Schwere der Behinderung des Klägers (u.a. motorische Schwierigkeiten, Defizite in alltagspraktischen Fähigkeiten, leichte Intelligenzminderung, kognitive Minderbegabung, nächtliches Einnässen), nicht ausreichend seien, um die Notwendigkeit von Eingliederungshilfeleistungen des Beklagten in der Form der Heimpflege anzuerkennen. Abgesehen von den schulischen und medizinischen Fördermaßnahmen, die hier nicht in Rede stünden, erfordere die Behinderung keinen pflegerischen Aufwand, der nicht auch von Eltern erbracht werden könnte. Zwischen der geistigen Behinderung des Hilfeempfängers und seiner Unterbringung in einem Heim (beziehungsweise in einer gleichartigen Einrichtung) habe eine Kausalität nicht bestanden und bestehe auch derzeit nicht. Eine solche Unterbringung sei nur deshalb erforderlich geworden, weil das ursprüngliche familiäre Umfeld seinen Lebens- und Hilfebedarf nicht mehr habe gewährleisten können. Es sei daher davon auszugehen, dass er zwar von einer Behinderung bedroht sei beziehungsweise eine Behinderung bei ihm bestehe, für die auch prinzipiell Leistungen der Eingliederungshilfe des Beklagten in Frage kommen könnten, dass jedoch eine stationäre Eingliederungshilfemaßnahme aufgrund seiner Behinderung nicht erforderlich wäre, wenn er in einem Elternhaus mit den üblichen Erziehungsfähigkeiten leben würde.
Hiergegen wendet der Kläger im wesentlichen ein, aus dem zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.9.1999, a.a.O., ...