Zusammenfassung
Menschen sind pflegebedürftig, wenn sie gesundheitliche Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbstständig kompensieren oder bewältigen können. Gemessen wird der Grad der Selbstständigkeit eines Menschen bzw. das Angewiesensein auf Unterstützung in 6 verschiedenen Modulen. Die Beeinträchtigungen müssen – abhängig vom Pflegegrad – in einer bestimmten Schwere vorliegen. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich aber für mindestens 6 Monate, bestehen.
Sozialversicherung: Die gesetzliche Grundlage für die Pflegebedürftigkeit ist in § 14 SGB XI geregelt. Der GKV-Spitzenverband der Pflegekassen hat Aussagen zur Pflegebedürftigkeit, über die Abgrenzung der Merkmale der Pflegebedürftigkeit und der Pflegegrade sowie zum Verfahren der Feststellung der Pflegebedürftigkeit in den Begutachtungs-Richtlinien (BRi) getroffen. Weitere Regelungen ergeben sich aus dem Gemeinsamen Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes und der Verbände der Pflegekassen auf Bundesebene (GR v. 20.12.2022).
1 Dauer
Pflegebedürftigkeit liegt vor, wenn wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen und der daraus resultierende Bedarf an Hilfe mindestens 6 Monate dauern.
Die Anerkennung von Pflegebedürftigkeit ist auch vor Ablauf von 6 Monaten möglich, wenn
- das Ausmaß der Hilfebedürftigkeit zwar vermindert werden kann, diese aber mindestens 6 Monate andauern wird oder
- die Lebenserwartung des Pflegebedürftigen weniger als 6 Monate beträgt.
Bestimmung des 6-Monats-Zeitraums
Der 6-Monats-Zeitraum bestimmt sich vom Eintritt der Hilfebedürftigkeit an und nicht vom Zeitpunkt der Begutachtung.
2 Begutachtung
2.1 Lebensbereiche
Bei der Begutachtung werden die Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder Fähigkeiten der Menschen in verschiedenen Lebensbereichen beurteilt. Die pflegefachlichen Kriterien werden in 6 Bereiche abgefragt:
Mobilität, z. B.
- körperliche Beweglichkeit (z. B. morgens aufstehen vom Bett und ins Badezimmer gehen oder Positionswechsel im Bett)
- Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs
- Treppensteigen
Kognitive und kommunikative Fähigkeiten, z. B.
- Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld
- Orientierung über Ort und Zeit
- Sachverhalte und begreifen
- Erkennen von Risiken
- andere Menschen im Gespräch verstehen
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, z. B.
- Unruhe in der Nacht
- Ängste und Aggressionen, die für sich und andere belastend sind
- Abwehr pflegerischer Maßnahmen
Selbstversorgung, z. B.
- selbstständiges Waschen und Ankleiden
- Essen und Trinken
- selbstständige Benutzung der Toilette
Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen, z. B.
- Fähigkeit, Medikamente selbst einnehmen zu können
- Blutzuckermessung selbst durchzuführen und deuten zu können
- Arzt selbstständig aufsuchen zu können
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte, z. B.
- Tagesablauf selbstständig gestalten zu können
- Kontakte mit anderen Menschen aufnehmen und pflegen
2.2 Beeinträchtigung der Selbstständigkeit/Fähigkeiten bei der Haushaltsführung
Die Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit bei der Haushaltsführung werden gesondert erhoben, aber nicht zur Ermittlung des Pflegegrades herangezogen. Damit soll eine doppelte Berücksichtigung vermieden werden, z. B. eine Beeinträchtigung in der Mobilität führt nicht nur zu einem Hilfebedarf beim Aufstehen, Waschen und/oder Anziehen, sondern auch bei der Versorgung des Haushalts. Die separate Ermittlung dient lediglich als Grundlage für eine Versorgungsplanung und gibt evtl. Anhaltspunkte für den Leistungsumfang der Pflegesachleistung.
Ermittelt werden die Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit bei
- außerhäuslichen Aktivitäten, z. B. Verlassen der Wohnung, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel Besuch von Kindergarten, Schule, Arbeitsplatz und
- Haushaltsführung, z. B. Einkaufen, Zubereiten einfacher Mahlzeiten, Umgang mit finanziellen Angelegenheiten oder Behördenangelegenheiten.