1 Pflegereform

Seit 1.7.2008 gewährt das Pflegezeitgesetz Beschäftigten 2 unterschiedlich ausgestaltete Ansprüche auf Freistellung von der Arbeitspflicht. Dadurch haben Beschäftigte die Möglichkeit, einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen häuslich zu pflegen. Das Gesetz unterscheidet zwischen einem Anspruch auf kurzzeitige Arbeitsbefreiung von bis zu 10 Arbeitstagen und einem Anspruch auf Gewährung einer bis zu 6-monatigen "Pflegezeit". In einem weiteren Reformschritt hat der Gesetzgeber Pflegeregelungen mit Wirkung ab 1.1.2015 weiter ausgebaut und dabei insbesondere eine umfassende materielle Absicherung der pflegenden Beschäftigten realisiert.

2 Pflegezeitgesetz

Allgemeine Grundlagen

Ziel des Pflegezeitgesetzes ist es, Beschäftigten, die von einem familiären Pflegefall betroffen sind, die Möglichkeit zu eröffnen, ihre nahen Angehörigen trotz beruflicher Tätigkeit zu pflegen.[1]

Zentrale Regelungen zur Verwirklichung dieses gesetzgeberischen Ziels sind 2 unterschiedliche und unabhängig voneinander bestehende Ansprüche auf Freistellung von der Arbeitspflicht für die von einem familiären Pflegefall betroffenen Beschäftigten. Zum einen ist dies der Anspruch auf kurzzeitige Arbeitsbefreiung von bis zu 10 Arbeitstagen[2], zum anderen der Anspruch auf Gewährung einer bis zu 6-monatigen Pflegezeit.[3]

Abgesichert werden die Freistellungsansprüche durch ein Verbot des Arbeitgebers, Kündigungen im Zusammenhang mit ihrer Inanspruchnahme auszusprechen.[4]

Anwendungsbereich

Der persönliche Anwendungsbereich des Gesetzes und damit der Anspruch sowohl auf kurzzeitige Arbeitsbefreiung als auch auf Pflegezeit umfasst die Beschäftigten. Dazu zählt das Gesetz Arbeitnehmer, Auszubildende und arbeitnehmerähnliche Personen, z. B. Heimarbeiter.[5]

Die Ansprüche aus dem Gesetz richten sich gegen den Arbeitgeber bzw. den Auftraggeber oder Zwischenmeister.[6]

Das Gesetz unterscheidet hinsichtlich der beiden Freistellungsansprüche nach der Unternehmensgröße: Der Anspruch auf kurzzeitige Arbeitsbefreiung nach § 2 PflegeZG gilt für alle Beschäftigten, unabhängig von der Beschäftigtenzahl, die beim Arbeitgeber oder Auftraggeber tätig sind. Den Anspruch auf Pflegezeit nach § 3 PflegeZG gewährt das Gesetz nach § 3 Abs. 1 Satz 2 PflegeZG nur in Unternehmen mit regelmäßig mehr als 15 Beschäftigten. Nach herrschender Meinung sind dabei Arbeitnehmer, Auszubildende und arbeitnehmerähnliche Personen zu berücksichtigen. Die Berechnung ist nach dem Kopf-Prinzip durchzuführen. Dafür spricht u. a., dass anderenfalls die Ermittlung der Unternehmensgröße bei der Beschäftigung von arbeitnehmerähnlichen Personen kaum durchführbar ist. Bezugspunkt für die (betriebsübergreifende) Berechnung ist der Arbeitgeber i. S. d. § 7 Abs. 2 PflegeZG – auf den Betrieb kommt es nicht an.

Die Ansprüche stehen den Beschäftigten ab dem ersten Tag ihres Beschäftigungsverhältnisses zu, da das Gesetz keine Wartezeiten vorsieht.

3 Kurzzeitige Arbeitsbefreiung

Das Pflegezeitgesetz gewährt in § 2 Abs. 1 PflegeZG jedem Beschäftigten das Recht, bei einer akut auftretenden Pflegesituation eines nahen Angehörigen bis zur Höchstdauer von 10 Arbeitstagen pro Jahr[1] der Arbeit fernzubleiben. Für den Zeitraum vom 23.5.2020 bis einschließlich zum 30.4.2023 durfte ein Beschäftigter bis zu 20 Arbeitstage der Arbeit fernbleiben, wenn die akute Pflegesituation der COVID-19-Pandemie geschuldet war.[2] Ein Kausalzusammenhang zwischen Pflegesituation und COVID-19-Pandemie wurde dabei gesetzlich vermutet, sodass den Beschäftigten hier keine weitere Nachweis- oder Darlegungslast getroffen hat. Diese Ausnahmeregelung war zunächst bis zum 31.12.2020 befristet, wurde dann bis zum 31.12.2022 verlängert und war zum 30.4.2023 ausgelaufen.[3]

§ 2 Abs. 1 PflegeZG gewährt dem Beschäftigten ein unmittelbares, d. h. von keiner Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers abhängiges, Leistungsverweigerungsrecht. Im Zusammenhang mit dieser Akutpflegesituation kann die Kurzzeitpflege nur einmal in Anspruch genommen werden.[4]

Anspruchsvoraussetzungen

  • Die Pflegebedürftigkeit muss sich auf einen nahen Angehörigen des Beschäftigten beziehen. Den Personenkreis bestimmt § 7 Abs. 3 PflegeZG: Großeltern, Eltern, Stief- und Schwiegereltern; Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen bzw. partnerschaftsähnlichen Gemeinschaft sowie Geschwister; leibliche Kinder, Adoptiv- und Pflegekinder sowie solche des Ehegatten oder Lebenspartners, Schwieger- und Enkelkinder; Schwäger.
  • Der Angehörige muss pflegebedürftig bzw. "voraussichtlich" pflegebedürftig sein (dazu sogleich unten). Für die Pflegebedürftigkeit maßgeblich sind nach § 7 Abs. 4 PflegeZG die Begriffsbestimmungen der §§ 14 und 15 SGB XI. Danach ist pflegebedürftig, wer wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, in erheblichem oder höherem Maß...

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