6.1 Anspruchsvoraussetzungen für Sozialhilfe
Der Anspruch auf Sozialhilfe entsteht grundsätzlich – auch ohne Antrag – ab dem Tag, an dem der Sozialhilfeträger (Sozialamt) erfährt, dass die Voraussetzungen für die Hilfegewährung vorliegen.
Im Sozialhilferecht gilt das "Nachrangigkeitsprinzip": Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
Zum Einkommen des Hilfebedürftigen gehören im Prinzip alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Einzusetzen ist grundsätzlich das gesamte verwertbare Vermögen (§ 90 SGB XII).
Vermögen im Sinne des § 90 Abs. 1 SGB XII können auch Schenkungsrückforderungsansprüche nach § 528 Abs. 1 BGB sein. Unternimmt der Schenker keine Rückforderungsbemühungen, kann er sich nicht darauf berufen, es würde sich bei dem Schenkungsrückforderungsanspruch nicht um bereite Mittel handeln.
Zum "Schonvermögen", also dem Vermögen, auf das der Sozialhilfeträger nicht zugreifen darf, gehört u. a. ein angemessenes Hausgrundstück, das vom Hilfebedürftigen oder einer anderen zu den leistungsberechtigten Personen gehörenden Personen allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach dem Tod des Hilfebedürftigen von seinen Angehörigen bewohnt werden soll. In der Praxis wird oft gestritten, was "angemessen" ist. Dies orientiert sich an der Hausgröße, dem Wert des Grundstücks und des Gebäudes, der Anzahl der Bewohner etc. Der Einsatz des Vermögens kann nicht verlangt werden, wenn dies für den Hilfeempfänger eine unzumutbare Härte bedeutet. Bei der Klärung "unzumutbare Härte" handelt es sich um eine Ermessensentscheidung des Sozialhilfeträgers, die gerichtlich überprüft werden kann. Psychische Erkrankungen des Eigentümers können der tatsächlichen Verwertbarkeit eines selbst bewohnten Hausgrundstücks entgegenstehen.
Der Schutz des Hausgrundstücks kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Leistungsberechtigte Angehörige hat, die nach seinem Tod dort leben sollen (und vorher nicht mit ihm dort gelebt haben).
6.2 Sozialhilferegresses beim Unterhaltsverpflichteten
6.2.1 Voraussetzungen für einen Sozialhilferegress
Das Sozialamt kann gegenüber dem Hilfebedürftigen erbrachte Zahlungen auch gegenüber dem gesetzlich Unterhaltsverpflichteten geltend machen. Das entsprechende Verlangen des Sozialhilfeträgers nennt man "Sozialhilferegress".
Soweit der Sozialhilfeträger die betroffenen Angehörigen zur Zahlung in Anspruch nehmen will, muss er diese vom Übergang der Ansprüche des Hilfebedürftigen gegen die Angehörigen an das Sozialamt schriftlich benachrichtigen (Überleitungsanzeige). Die Wirksamkeit der Überleitung eines Anspruchs nach § 93 SGB XII besteht bereits, wenn ein überleitungsfähiger Anspruch überhaupt in Betracht kommt, er also nicht von vornherein objektiv ausgeschlossen ist. In der Sozialhilfe dient die Überleitung eines Anspruchs – neben den Vorschriften über den Einsatz eigenen Einkommens und Vermögens – dazu, den Nachrang der Sozialhilfe zu realisieren. Entscheidend ist nicht, ob ein Anspruch tatsächlich besteht, sondern dass die Überleitung für einen Zeitraum erfolgt, für den Leistungen der Sozialhilfe tatsächlich gewährt worden sind.
Macht ein Sozialhilfeträger gegen ein Kind aus übergegangenem Recht Unterhalt für einen Elternteil geltend, der das Rentenalter noch nicht erreicht hat, ist der Anspruch nur dann schlüssig begründet, wenn im Einzelnen die Gründe dargelegt werden, weshalb der Elternteil seinen Bedarf nicht aus eigener Erwerbstätigkeit oder nicht subsidiären Sozialleistungen decken kann. Ein Unterhaltsanspruch kommt nicht bereits deshalb in Betracht, weil der Elternteil nach jahrzehntelanger Erwerbslosigkeit (und Sozialhilfebezug) nunmehr ein Alter erreicht hat, in dem er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erfahrungsgemäß keine Beschäftigung mehr finden kann.
Gem. § 94 Abs. 1 S. 2 bis 5, Abs. 2, 3 SGB XII ist der Übergang des Unterhaltsanspruchs auf den Sozialleistungsträger in bestimmten Fällen ausgeschlossen (unbillige Härte).
Barunterhalt als unzumutbare Härte neben persönlicher Pflege
Erbringt ein Kind erhebliche Leistungen zur häuslichen Pflege, stellt sich die Inanspruchnahme auf ergänzenden Barunterhalt zugleich als unzumutbare Härte i. S. von § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII dar. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Leistungsträger ...