Entscheidungsstichwort (Thema)
Absenkungsbescheid, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Rechtsfolgenbelehrung. Einstweiliger Rechtsschutz. Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Absenkung von Leistungen nach dem SGB II. Vermittlungsvorschlag. Sperrzeit. Beteiligtenfähigkeit. Ordnungsgemäße Belehrung
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Leistungshöhe unmittelbar regelnde Absenkungsbescheide nach § 31 SGB II gilt § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II, so dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen entsprechende Absenkungsbescheide keine aufschiebende Wirkung haben.
2. Die einem Vermittlungsvorschlag beizufügende Rechtsfolgenbelehrung muss konkret, vollständig, eindeutig, verständlich, verbindlich und rechtlich zutreffend sein. Unabhängig vom jeweiligen Bildungsstand des Leistungsempfängers ist es diesem nicht zuzumuten, sich aus mehreren beigefügten Rechtsfolgenbelehrungen die jeweils zutreffende herauszusuchen oder durch Nachfrage bei der zuständigen Behörde zu ermitteln.
Orientierungssatz
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG gegen einen auf § 31 SGB 2 gestützten Absenkungsbescheid ist begründet, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und den Betroffenen dadurch in subjektiven Rechten verletzt.
2. Ein Absenkungsbescheid ist offensichtliche rechtswidrig, wenn der Antragsteller nicht ordnungsgemäß gem. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB 2 belehrt worden ist; das ist der Fall, wenn neben der Belehrung nach § 31 SGB 2 auch eine solche nach § 144 SGB 3 erteilt worden ist, da es nicht Aufgabe des Hilfebedürftigen ist, sich aus mehreren Belehrungen die für ihn einschlägige herauszusuchen oder durch Nachfrage bei dem Leistungsträger zu ermitteln.
3. Eine mehrfache Absenkung der Regelleistung um 60% oder 100% nach § 31 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB 2 ist nur zulässig, wenn der Hilfebedürftige trotz Absenkung danach weitere Pflichtverstöße begeht; mehrere Pflichtverletzungen vor Erlass des ersten Absenkungsbescheids reichen für die verschärfte Sanktion nicht aus.
Normenkette
SGB II §§ 31, 40 Abs. 1 S. 1; SGG § 86b Abs. 2 S. 1, §§ 123, 70; SGB X § 45; SGB §§ 48, 50, 33 Abs. 1
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 21. Juni 2007 in Ziffer I wie folgt neu gefasst:
Die aufschiebende Wirkung der Klagen des Antragstellers gegen die Absenkungsbescheide der Antragsgegnerin vom 17. April 2007 und 19. April 2007 wird angeordnet.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
III. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Absenkung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Der am … 1972 geborene Antragsteller, ein gelernter Diplom-Kaufmann, steht bei der Antragsgegnerin im Leistungsbezug von Arbeitslosengeld II.
Die Antragsgegnerin übersandte dem Antragsteller mit Schreiben vom 2. Februar 2007 einen Vermittlungsvorschlag mit der Aufforderung, sich wegen einer ausgeschriebenen Stelle beim Arbeitgeber zu bewerben. Dem Schreiben waren eine Rechtsfolgenbelehrung über das mögliche Eintreten einer Sperrzeit nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III), bei Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses sowie eine Rechtsfolgenbelehrung über die möglichen Absenkungen des Arbeitslosengeldes II bei Verletzung von Pflichten nach dem SGB II beigefügt. Mit Schreiben vom 2. Februar 2007 und 6. Februar 2007 erfolgten weitere Vermittlungsvorschläge für ausgeschriebene Stellen durch die Agentur für Arbeit Chemnitz und durch die Antragsgegnerin, die jeweils die oben genannten Rechtsfolgenbelehrungen enthielten.
Nach Mitteilung der Arbeitgeber bzw. Feststellung der Antragsgegnerin, dass sich der Antragsteller wegen der angebotenen Stellen weder gemeldet noch beworben hat, gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Schreiben vom 15. März 2007 Gelegenheit, sich zur beabsichtigen Absenkung von Leistungen wegen der Weigerung, “eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit, ein zumutbares Angebot nach § 15a oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarungvereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen„, zu äußern. Eine Stellungnahme des Antragstellers erfolgte nicht.
Mit Bescheid vom 17. April 2007 senkte die Antragsgegnerin das dem Antragsteller zustehende Arbeitslosengeld II im Zeitraum 1. Mai bis 31. Juli 2007 wegen Nichtaufnahme einer zumutbaren Tätigkeit gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c SGB II in Verbindung mit § 48 Abs. 1 des Zehnten Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zunächst um 30 % der Regelleistung (maximal 104 EUR monatlich) und mit Bescheid vom gleichen Tag wegen eines weiteren gleichartigen Pflichtverstoßes um 60 % der Regelleistung (maximal 207 EUR monatlich). Eine weitere Absenkung um 100 % der bewilligten Leistungen erfolgte wegen wiederholter gleichartiger Pflichtverletzung durch ...