Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerdeausschluss

 

Leitsatz (amtlich)

Die Beschwerde ist nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG immer dann ausgeschlossen, wenn die Berufung in der Hauptsache nicht kraft Gesetzes zulässig ist, sondern der Zulassung bedarf.

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 3. September 2008 wird verworfen.

II. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin deren außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht statthaft.

Mit Beschluss vom 03.09.2008 hat das Sozialgericht Leipzig die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin für den Monat September 2008 Leistungen in Höhe von 660,64 EUR bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens unter dem Geschäftszeichen S 7 AS 3258/08 vorläufig zu gewähren. Die dem Beschluss beigefügte Rechtsmittelbelehrung besagt, hiergegen sei die Beschwerde statthaft. Die Antragsgegnerin begehrt mit ihrer gegen diesen Beschluss erhobenen Beschwerde vom 24.09.2008 die Aufhebung dieses Beschlusses.

Gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008 (BGBl. I S. 444), der am 01.04.2008 in Kraft getreten ist, ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Nach der weit überwiegenden Rechtsprechung der Obergerichte (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 06.11.2008 - L 11 B 526/08 AS-ER, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 29.09.2008 - L 8 SO 80/08 ER - und Beschluss vom 08.09.2008 - L 13 AS 178/08 ER, LSG Hamburg, Beschluss vom 01.09.2008 - L 5 AS 70/08 NZB, HessLSG, Beschluss vom 11.08.2008 - L 7 AS 213/08 B ER, LSG NRW, Beschluss vom 21.07.2008 - L 19 B 118/08 AS-ER - und Beschluss vom 02.07.2008 - L 7 B 192/08 AS-ER, LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.06.2008 - L 28 B 919/08 AS-ER; a.A. nur: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21.10.2008 - L 6 AS 458/08 ER) ist die Beschwerde immer dann ausgeschlossen, wenn die Berufung in der Hauptsache nicht kraft Gesetzes zulässig ist, sondern der Zulassung bedarf.

Auch nach Ansicht des Senats kommt es für die Frage der Statthaftigkeit der Beschwerde in den Fällen des § 172 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGG nur darauf an, ob die Berufung in der Hauptsache ohne Zulassungsentscheidung durch das Sozialgericht bereits kraft Gesetzes zulässig ist. Denn das Erfordernis der Rechtsmittelklarheit verlangt, dass von vornherein abstrakt feststeht, ob ein Rechtsmittel zulässig ist oder nicht. Es ist daher - anders als das Sozialgericht offenbar meint - nicht maßgeblich, ob im Hauptsacheverfahren die Berufung möglicherweise nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen wäre. Demzufolge wäre die Statthaftigkeit der Beschwerde nach § 172 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGG durch künftige ungewisse Ereignisse bedingt. Ob die Berufung gegen die sozialgerichtliche Entscheidung nach § 144 Abs. 2 SGG zugelassen wird, hängt nämlich zum einen davon ab, ob es überhaupt zu einem Urteil kommt und sich das Verfahren nicht vorher anderweitig erledigt, zum anderen davon, ob das erkennende Gericht das Vorliegen der Zulassungsgründe nach jener Vorschrift für gegeben hält. Rechtsbehelfe müssen in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt und in ihren Voraussetzungen für die Bürger erkennbar sein, so dass die Frage der Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs nicht von solchen Unwägbarkeiten in der Zukunft abhängen darf. Denn dies würde einen Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit darstellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.04.2003, - 1 PBvU 1/02 -, NJW 2003, 1924, 1926, und Nichtannahmebeschluss vom 16.01.2007 - 1 BvR 2803/06 -, NJW 2007, 2538 f.).

Für die Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat der Gesetzgeber in § 172 SGG keine Möglichkeit der Zulassung einer an sich ausgeschlossenen Beschwerde durch die Sozialgerichte oder die Landessozialgerichte vorgesehen. Der Grundsatz der Rechtssicherheit erfordert es, dass die prozessualen Voraussetzungen für alle Rechtsmittel und Rechtsbehelfe vom Gesetzgeber festgelegt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.04.2003, a.a.O.). Außerhalb der gesetzlich vorgesehenen Verfahren ist es dem Senat daher verwehrt, gerichtliche Entscheidungen zu überprüfen. Denn es ist dem Gesetzgeber vorbehalten, eine Balance zu finden zwischen der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz und dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch einerseits und dem Grundsatz der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden andererseits, wobei ein verbleibendes Risiko unrichtiger Rechtsanwendung durch die Gerichte in Kauf genommen wird.

Die Beschwerde des Antragsgegners ist nicht statthaft und damit unzulässig. Sie wäre nur statthaft, wenn ihr Wert den für die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG seit 01.04.2008 maßgebenden Betrag von 750,00 EUR übersteigen würde. Dies ist nicht d...

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