Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Berufungszulassung. grundsätzliche Bedeutung. elektronischer Rechtsverkehr. Rechtsmittelbelehrung. fehlender Hinweis auf Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsbehelfs in elektronischer Form. Effektiver Rechtsschutz

 

Leitsatz (amtlich)

Die Rechtsfrage "Ist es gerechtfertigt, die Möglichkeit der Einlegung von Rechtsbehelfen in elektronischer Form als Regelweg iS von § 66 Abs 1 SGG anzusehen?" ist geklärt (vgl BSG vom 14.3.2013 - B 13 R 19/12 R = SozR 4-1500 § 66 Nr 3) und hat deshalb keine grundsätzliche Bedeutung.

 

Normenkette

SGG §§ 65a, 66 Abs. 1, § 144 Abs. 2 Nr. 1, § 158 S. 1; GG Art. 19 Abs. 4

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 17. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Zulassung der Berufung. In der Sache wendet sich der Kläger gegen die Ablehnung der Übernahme der Kosten für seine Einschulung.

Der 2005 geborene Kläger, gesetzlich vertreten durch seine Eltern - die allesamt im dauernden Leistungsbezug beim Beklagten stehen - beantragte am 20.02.2012 beim Beklagten die Übernahme der Kosten seiner Einschulung, die zum 01.09.2012 anstand, in Höhe von 400,00 €. Bei der Stadt C… stellte der Kläger ebenfalls einen Antrag auf Übernahme der Einschulungskosten. Dort bezifferte er diese mit 500,00 €. Den beim Beklagten gestellten Antrag lehnte dieser mit Bescheid vom 08.03.2012 ab. Den Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 11.06.2012 zurück. Die Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheides hatte folgenden Wortlaut:

"Gegen diese Entscheidung kann jeder Betroffene für sich innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe beim Sozialgericht Chemnitz, Straße der Nationen 2-4, 09111 Chemnitz, Klage erheben. Die Klage ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben. Für Minderjährige oder nicht geschäftsfähige Personen handelt deren gesetzlicher Vertreter. Klage kann auch durch ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft erhoben werden, soweit Bevollmächtigung dazu gegeben ist.

Die Klage muss gemäß § 92 des Sozialgerichtsgesetzes den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde. Die Klage soll einen bestimmten Antrag enthalten und von dem Kläger oder der zu seiner Vertretung befugten Person mit Orts- und Zeitangabe unterzeichnet sein. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben werden, die angefochtene Verfügung und der Widerspruchsbescheid sollen in Urschrift oder in Abschrift beigefügt werden. Der Klageschrift sind gemäß § 93 des Sozialgerichtsgesetzes nach Möglichkeit Abschriften für die Beteiligten beizufügen."

Der Kläger hat sein Begehren mit der durch seinen Prozessbevollmächtigten am 10.07.2013 beim Sozialgericht Chemnitz (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Unter Berücksichtigung der fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid vom 11.06.2012 - es fehle der Hinweis auf die Möglichkeit des elektronischen Einreichens der Klage - müsse für die Klageerhebung die Jahresfrist gelten.

Der Beklagte hat die Klage für verfristet erachtet.

Das SG hat sie mit Gerichtsbescheid vom 17.10.2013 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, weil sie nicht innerhalb der gesetzlichen Klagefrist eingereicht worden sei. Gemäß § 87 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei die Klage bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides zu erheben. Die Klagefrist sei im vorliegenden Verfahren am 14.07.2012 abgelaufen. Die Klage sei nach Ablauf der Frist eingelegt worden. Die erteilte Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheides sei nicht deshalb unrichtig, weil sie nicht auf die Möglichkeit hingewiesen habe, den Rechtsbehelf in elektronischer Form einzulegen. Unrichtig im Sinne des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG sei jede Rechtsbehelfsbelehrung, die nicht zumindest diejenigen Merkmale zutreffend wiedergebe, die § 66 Abs. 1 SGG als Bestandteil der Belehrung ausdrücklich benenne: (1.) den statthaften Rechtsbehelf als solchen (also seine Bezeichnung der Art nach), (2.) die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, (3.) deren bzw. dessen Sitz und (4.) die einzuhaltende Frist. Über den Wortlaut der Vorschrift hinaus sind nach ihrem Sinn und Zweck den Beteiligten ohne Gesetzeslektüre die ersten Schritte zur (fristgerechten) Wahrung ihrer Rechte zu ermöglichen, aber auch (5.) eine Belehrung über den wesentlichen Inhalt der bei Einlegung des Rechtsbehelfs zu beachtenden Formvorschriften erforderlich. Bei der elektronischen Form im Sinne des § 65a SGG handele es sich nicht lediglich um einen Unterfal...

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