Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Begründetheit. Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Krankenversicherung. Durchführung einer Liposuktion. Genehmigungsfiktion des § 13 Abs 3a S 6 SGB 5
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Begründetheit eines Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Ziel der Durchführung einer stationären Liposuktion.
2. Zu den Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs 3a S 6 SGB V.
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 18. August 2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren und Beiordnung von Frau Rechtsanwältin B..., wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes darüber, ob die Antragsgegnerin der Antragstellerin eine stationäre Liposuktion im Bereich der Beine und der Arme aufgrund eines Lipödems bei begleitender Adipositas zu gewähren hat.
Die am … 1996 geborene und bei der Antragsgegnerin krankenversicherte Antragstellerin leidet unter mehreren psychischen Erkrankungen, die seit September 2014 mittels ambulanter Psychotherapie behandelt werden - vor allem einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ, einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer dissoziativen Bewegungsstörung, einer Agoraphobie mit Panik, einer sozialen Phobie und einer rezidivierenden depressiven Störung, derzeit im Sinne einer mittelgradigen depressiven Episode. Zudem bestehen eine Kombination von zentraler Adipositas (aktuell 109 kg Körpergewicht, BMI ≫ 40 kg/m2) und Lipödem im Bereich der Oberschenkel (Grad 3), Unterschenkel (Grad 2) und Oberarme (Grad 1) sowie u.a. eine diabetische Stoffwechsellage und belastungsabhängige Atembeschwerden (Bronchialasthma).
Wegen des Lipödems befindet sich die Antragstellerin seit Dezember 2014 in Behandlung bei Prof. Dr. W... (Chefarzt der Klink für Dermatologie und Allergologie, Städtisches Klinikum A...). Im Jahr 2015 wurde sie mit flach gestrickter Kompressionsbekleidung versorgt und ihr wurden - neben Krankengymnastik - 30 manuelle Lymphdrainagen verordnet; ferner wurden drei Einzelgespräche zur Ernährungsberatung durchgeführt. Das Körpergewicht der Antragstellerin nahm währenddessen zunächst auf 111 kg zu.
Am 2. März 2016 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die Gewährung einer Liposuktion im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung. Zur Begründung legte sie einen Arztbericht von Prof. Dr. W... vom 25. Februar 2016 (“zur Vorlage bei der Krankenkasse„) vor, in dem es heißt, dass der Antragstellerin eine stationäre Liposuktion zu empfehlen sei. Vorgesehen seien vier Sitzungen für die Beine (zwei links, zwei rechts) und eine Sitzung für die Arme mit jeweils fünf Liter Tumeszenzlösung unter stationären Bedingungen (eine Übernachtung) im Abstand und von ca. acht Wochen. Konservative Maßnahmen seien erfolglos durchgeführt worden. Eine komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE) sei zur Behandlung eines Lipödem nicht ausreichend, da sie nur einen Teilaspekt der Erkrankung erfasse, das krankhaft vermehrte Fettgewebe aber nicht reduziere und die Progredienz der Erkrankung nicht bremsen könne.
Die Antragsgegnerin bestätigte der Antragstellerin unter dem 11. März 2016 den Eingang des Antrags am 2. März 2016, informierte über die Notwendigkeit der Erstellung eines Gutachtens des Medizinischen Diensts der Krankenversicherung Sachsen (MDK), sodass eine Entscheidung innerhalb der fünfwöchigen Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) beabsichtigt sei, und erbat die Nachreichung von Nachweisen zu durchgeführten Lymphdrainagen und sportlicher Betätigung sowie Fotos bis zum 23. März 2016. Mit Schreiben an die Antragstellerin vom 1. April 2016 erklärte die Antragsgegnerin, dass die restliche Zeit bis zum Ablauf der fünfwöchigen Frist aufgrund des “schwierigen Antrags„ nicht ausreiche (“Mitteilung nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V„); die Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V trete daher nicht ein.
In dem vom MDK nach Aktenlage unter dem 28. April 2016 vorgelegten Gutachten, hieß es dass die stationäre Liposuktion eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode sei. Solche Krankenhausbehandlungen könnten aber nur bei lebensbedrohlichen und regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erbracht werden. Der Antragstellerin sei daher eine Weiterführung der manuellen Lymphdrainage mit Kompressionstherapie, eine Gewichtsreduktion und ggf. auch eine Rehabilitationsmaßnahme in einer spezialisierten Einrichtung zu empfehlen. Am 3. Mai 2016 reichte die Antragstellerin einen psychologischen Befundbericht nach, zu dem die Antragsgegnerin eine ergänzende, am 17. Mai 2016 erstellte Stellungnahme des MDK anforderte; eine Änderung der medizinischen Einschätzung ergab jedoch...