Entscheidungsstichwort (Thema)
Angemessene Vergütung im Rahmen der Prozesskostenhilfe bei Betragsrahmengebühren. Prozesskostenhilfe. Betragsrahmengebühren. Angemessene Vergütung. Gleichbehandlung. Mittelgebühr. Gegenstandswert. Sozialer Umverteilungseffekt. Option der Honorarvereinbarung. Leistungsbestimmungsrecht. Toleranzrahmen
Leitsatz (amtlich)
Die Bestimmung der angemessenen Vergütung im Rahmen der PKH hat bei den Betragsrahmengebühren im Sozialgerichtsverfahren aus Gründen der Gleichbehandlung typisiert zu erfolgen.
Leitsatz (redaktionell)
Für die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung ist stets von der Mittelgebühr auszugehen. Ein Abzug bei Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen der kürzeren Verfahrensdauer kommt grundsätzlich nicht in Betracht, weil der kurzen Verfahrensdauer i.d.R. eine gedrängtere Bearbeitung und die besondere Eilbedürftigkeit der Streitsache entgegenstehen.
Normenkette
RVG §§ 60, 61 Abs. 1 S. 1, § 3 Abs. 1 Sätze 1-2, § 14 Abs. 1-2; JVEG §§ 13-14; SGB II § 22 Abs. 1 S. 3; SGG §§ 183, 197a Abs. 1; BGB § 315
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Rechtsanwalts wird der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 18. Dezember 2007 aufgehoben.
II. Die dem Beschwerdeführer zustehende Vergütung wird auf 313,20 EUR festgesetzt.
III. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Mit der Beschwerde wendet sich der Rechtsanwalt gegen die Kürzung der im Rahmen der Prozesskostenhilfe aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren. Im Ausgangsverfahren - einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes - hatte er beantragt, den Antragsgegner - Landkreis Kamenz - im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, zunächst bis zum 31. Mai 2006, sofern der Antragsteller nicht früher auszieht, die Kosten für die vom Antragsteller derzeit genutzten Wohnung auf der …straße in … P. in Höhe von monatlich 393,78 EUR zu übernehmen.
Der Antragsteller bewohnte diese Wohnung seit dem 1. September 2000 zusammen mit seiner Ehefrau, die sich Ende Juni 2005 von ihm trennte und auszog. Von der Antragsgegnerin wurde er daraufhin darauf aufmerksam gemacht, dass die Kosten der nunmehr für einen Alleinstehenden zu groß erscheinenden Wohnung längstens bis Dezember 2005 übernommen würden (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II).
Während des ER-Verfahrens, welches insgesamt vom 9. März 2006 bis zum 3. April 2006 (ablehnender Beschluss, zugestellt am 07.04.2006) dauerte, wurde sowohl von Seiten des Gerichts als auch von Seiten des Beschwerdeführers in die Richtung ermittelt, ob und wenn ja, wo zumutbarer Ersatzwohnraum beschafft werden könne. Dadurch sowie durch die vom Beschwerdeführer übersandten Bescheide einschließlich Auszüge aus dem Scheidungsverfahren umfasste die Akte zum Schluss 162 Blatt.
Am 17.03.2006 hatte das Sozialgericht Dresden dem Antragsteller Prozesskostenhilfe bewilligt und Herrn Rechtsanwalt X beigeordnet.
Dieser beantragte am 01.06.2006 die Festsetzung seiner Vergütung wie folgt:
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Verfahrensgebühr nach Ziffer 3102 VV-RVG |
350,00 € |
Post- und Telekommunikationsentgelte gemäß Nr. 7002 VV-RVG |
20,00 € |
Zwischensumme |
370,00 € |
16 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV-RVG |
59,20 € |
Summe |
429,20 €. |
Mit Beschluss vom 24.07.2006 setzte das Sozialgericht Dresden die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 216,54 € fest. Die Bedeutung der Angelegenheit hat zwar etwas über dem Durchschnitt gelegen, alle anderen Kriterien zur Bestimmung der Gebührenhöhe, insbesondere auch unter Beachtung der sehr kurzen Verfahrensdauer seien als unterdurchschnittlich zu bewerten. Daher seien nur 2/3 der Mittelgebühr festzusetzen.
Mit der Erinnerung machte der Beschwerdeführer geltend, dass die kurze Verfahrensdauer im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gerade nicht als Argument für ein Abweichen von der Mittelgebühr nach unten gewertet werden könne, sondern eher im Gegenteil sich im Hinblick auf den besonders erheblichen Arbeitsumfang unter Zurückstellung anderer Tätigkeiten gebührenerhöhend auswirken müsse. Allein die Rechercheaufwendungen zur Prüfung des Wohnungsmarktes hätten ca. 5 Zeitstunden in Anspruch genommen.
Das Sozialgericht hat die Erinnerung gegen die Vergütungsfestsetzung mit Beschluss vom 18.12.2007 zurückgewiesen. Dieser Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 27.12.2007 zugestellt.
Hiergegen richtet sich die am 31.12.2007 beim Sozialgericht Dresden eingegangene Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat.
II.
Die zulässige Beschwerde ist zum Teil begründet.
Die Vergütung des Beschwerdeführers richtet sich im vorliegenden Fall nach dem JVEG, weil ihm der Auftrag zur Erledigung der Angelegenheit nach dem 01.07.2004 erteilt wurde (§§ 60, 61 Abs. 1 Satz 1 RVG).
In Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, also in Verfahren wie dem vorliegenden mit nach § 183 SGG kostenprivilegierten Klägern (§ 197a Abs. 1 SGG) entstehen Betragsrahmengebühren (§ 3 Abs. 1 Satz 1 RVG).
Die Verfahrensgebühr beträgt nach Nr. 3102 VV RVG 40,00 bis 460,00 EUR, ...