Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Auskunftspflicht Dritter. keine Unterscheidung nach Arten von Leistungs- bzw Unterhaltspflichten. Möglichkeit des Bestehens eines Unterhaltsanspruchs
Leitsatz (amtlich)
1. Für das öffentlich-rechtliche Auskunftsverlangen wird weder in § 60 Abs 2 S 1 SGB 2 noch in § 60 Abs 2 S 3 SGB 2 zwischen Arten von Leistungs- oder Unterhaltspflichten unterschieden.
2. Für eine Auskunftspflicht nach § 60 Abs 2 S 1 Alt 1 SGB 2 reicht die Möglichkeit eines Unterhaltsanspruches aus. Eine Auskunftspflicht besteht lediglich dann nicht, wenn offensichtlich kein Unterhaltsanspruch gegeben ist.
Normenkette
SGB II § 60 Abs. 2 S. 1 Alt. 1, S. 3; BGB § 1605 Abs. 1
Tenor
I. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 11. Mai 2012 über die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das abgeschlossene Klageverfahren.
Die Klägerin ist die geschiedene Ehefrau von J… R…, der von der ARGE L… Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) bezog. Die ARGE L… forderte die Klägerin mit Schreiben vom 23. Februar 2010 auf, Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisses zu erteilen. Sie berief sich hierfür einerseits auf § 33 Abs. 1 Satz 3 SGB II i. V. m. § 1361 des Bürgerlichen Besetzbuches (BGB) und andererseits auf § 60 SGB II. Gegen das öffentlich-rechtliche Auskunftsverlangen könne Widerspruch erhoben werden.
Die anwaltlich vertretene Klägerin teilte mit Schriftsatz vom 10. März 2013 mit, dass sie für Unterhaltszahlungen nicht leistungsfähig sei. Auch im Rahmen des weiteren Schriftwechsels verweigerte die Klägerin eine weitergehende Auskunftserteilung.
Der nunmehr zuständige Beklagte wies die Einwände der Klägerin, die er als Widerspruch auslegte, mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2011 zurück. Nach § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II finde für die Feststellung einer Unterhaltsverpflichtung auch § 1605 Abs. 1 BGB i. V. m. § 1580 BGB Anwendung.
Das Sozialgericht hat die hiergegen erhobene Klage vom 14. April 2011 mit Gerichtsbescheid vom 11. Mai 2012 abgewiesen. Es hat unter anderem ausgeführt, dass in § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II nicht hinsichtlich der Art des zugrundeliegenden Unterhaltsanspruches differenziert werde. Aus diesem Grund sei es gleichgültig, ob dem Auskunftsverlangen materiell-rechtlich ein Anspruch auf Trennungsunterhalt oder auf nachehelichen Unterhalt zugrundeliege. Ebenfalls am 11. Mai 2012 hat es den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Die Klägerin hat am 6. Juni 2012 Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfebeschluss und am 11. Juni 2012 Berufung gegen den Gerichtsbescheid (Az. L 3 AS 518/12) eingelegt. Sie trägt vor, dass über ihren etwaigen Widerspruch gegen das Auskunftsverlangen hinsichtlich des Ehegattenunterhaltes im Schreiben vom 23. Februar 2010 keine Entscheidung ergangen sei, und dass dem Widerspruchsbescheid vom 28. März 2011 hinsichtlich des nachehelichen Unterhaltes an einem Ausgangsbescheid mangele.
Die Klägerin beantragt,
1. ihr für die erste Instanz rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung Prozesskostenhilfe zu gewähren und
2. ihren Bevollmächtigten als Rechtsanwalt beizuordnen.
Der Beschwerdegegner, die Staatskasse, äußerte sich. Der Beklagte hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Instanzen, die Berufungsakte des Landessozialgerichtes Chemnitz zum Verfahren Az. L 3 AS 518/12 sowie die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
1. Über die Beschwerde kann auch noch nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens, hier des Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, entschieden werden (vgl. zur Zulässigkeit einer rückwirkenden Beschwerdeentscheidung nach rechtskräftigem Abschluss des vorausgegangenen Hauptsacheverfahrens: Sächs. LSG, Beschluss vom 15. Februar 2010 - L 3 AS 570/09 B PKH - JURIS-Dokument Rdnr. 15, m. w. N.; Sächs. LSG, Beschluss vom 27. Juni 2011 - L 3 AS 521/11 B PKH - JURIS-Dokument Rdnr. 1, m. w. N.; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 73a Rdnr. 12c; vgl. auch LSG Niedersachsen, Beschluss vom 15. Mai 1995 - L 8 S (Vs) 52/95 - Breithaupt 1995, 735). Denn die Frage, ob der Antragsteller alles Erforderliche getan hat, um vor Wegfall der Rechtshängigkeit des Hauptsacheverfahrens eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zu erwirken, und die Frage, ob der Bevollmächtigte beigeordnet werden konnte mit der Folge, dass der Anspruch gegen die Staatskasse auf Erstattung von Auslagen und Gebühren gemäß §§ 45 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) entstehen konnte, betrifft ni...