Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Zulassung der Berufung. grundsätzliche Bedeutung. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bildung und Teilhabe. Lernförderung. Erforderlichkeit zur Erreichung wesentlicher Lernziele. konkrete Versetzungsgefährdung. Möglichkeit des Notenausgleichs in Sachsen
Leitsatz (amtlich)
1. Es ist eine Frage grundsätzlicher Bedeutung, ob das Nichterreichen wesentlicher Lernziele iS des § 28 Abs 5 SGB 2 nur dann anzunehmen ist, wenn eine konkrete Versetzungsgefahr aktuell droht.
2. In diesem Zusammenhang stellt sich insbesondere die Frage, ob der nach den nicht revisiblen schulrechtlichen Bestimmungen im Freistaat Sachsen mögliche Notenausgleich gem § 28 Abs 2 SOMIA (ähnlich auch § 27 Abs 2 SOGY und § 29 Abs 2 BGySO) für eine nur mangelhafte Leistung in einem Fach, der eine Versetzung in die nächsthöhere Klassenstufe erlaubt, gegen einen Anspruch auf Lernförderung spricht oder die Erforderlichkeit einer Lernförderung nach § 28 Abs 5 SGB 2 ausschließt.
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 27. August 2013 zugelassen.
II. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Zulassung der Berufung. In der Sache begehrt die Klägerin die Gewährung von Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 28 Abs. 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) für Nachhilfe in Mathematik im zweiten Schulhalbjahr 2011/2012.
Die 2001 geborene Klägerin lebt mit ihrem Bruder im Haushalt ihrer Eltern. Die Familie bezieht laufend Leistungen nach dem SGB II vom Beklagten.
Sie besuchte im Schuljahr 2011/2012 die 5. Klasse der Mittelschule K…. Laut Jahresendzeugnis der 4. Klasse der Grundschule hatte die Klägerin nur in Mathematik eine 4, sonst überwiegend die Note 2. Nach dem Halbjahreszeugnis der 5. Klasse hatte sie in den Kopfnoten jeweils eine 2, ebenso in Deutsch, Englisch, Kunst, Musik, Geschichte, Biologie und Ethik, in den Fächern Geographie, Sport sowie Technik und Computer jeweils die Note 3 und in Mathematik wiederum die Note 4. Die Schule bestätigte, dass bei der Klägerin die Notwendigkeit von Lernförderung im Fach Mathematik bestehe. Das Erreichen wesentlicher Lernziele (im Regelfall die Versetzung) sei gefährdet; es bestehe eine positive Versetzungsprognose im Falle der Erteilung von Lernförderung, die Leistungsschwäche sei nicht auf unentschuldigte Fehlzeiten o.Ä. zurückzuführen und geeignete kostenfreie schulische Angebote bestünden nicht.
Am 20.03.2012 hat die Klägerin, vertreten durch die Eltern, beim Beklagten Leistungen für eine angemessene Lernförderung beantragt und neben der Bestätigung der Schule eine Angebot für Einzelnachhilfeunterricht à 60 Minuten/Woche mindestens dreimal im Monat für 20,00 € pro Stunde vorgelegt.
Mit Bescheid vom 10.04.2012 lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen für Bildung und Teilhabe zur Lernförderung ab. Außerschulische Lernförderung sei als Mehrbedarf nur in Ausnahmefällen geeignet und erforderlich. Das wesentliche Lernziel sei regelmäßig die Versetzung in die nächste Klassenstufe beziehungsweise ein ausreichendes Leistungsniveau. Nach den vorliegenden Zeugnissen liege bei der Klägerin keine Versetzungsgefährdung vor. Das Leistungsniveau sei ausreichend. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Lernförderung seien demnach nicht erfüllt. Der dagegen gerichtete Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 27.04.2012). Die erforderliche und auf das Schuljahresende bezogene prognostische Einschätzung der Versetzungsgefährdung falle zu Lasten der Klägerin aus. Es werde nicht verkannt, dass sie in Mathematik über kein befriedigendes Leistungsniveau verfüge, insbesondere dort deutliche Schwächen zeige. Gleichwohl könne eine Versetzungsgefährdung nicht erkannt werden. Der Einschätzung der Schule könne unter Beachtung der sonstigen Zensuren der Halbjahresinformation nicht gefolgt werden, weil davon ausgegangen werden könne, dass die Klägerin nach den Versetzungsbestimmungen in § 28 der Schulordnung für Mittel- und Abendschulen (vom 11.07.2011; berichtigt 19.08.2011, SächsGVBl. S. 365 ≪SOMIA≫; zuletzt geändert durch Verordnung vom 27.06.2012; SächsGVBl. S. 348, 374) selbst eine Note 5 in Mathematik noch mit einer Note 2 in Deutsch würde ausgleichen können.
Dagegen hat die Klägerin am 04.05.2012 beim Sozialgericht Dresden Klage erhoben.
Auf entsprechenden Antrag hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 18.05.2012 im Verfahren S 38 AS 2575/12 ER den Antragsgegner durch einstweilige Anordnung verpflichtet, der Klägerin vorläufig bis zum Ablauf des Schuljahres 2011/2012 die Kosten für die außerschulische Lernförderung im Fach Mathematik mit einem Umfang von 60 Minuten/Woche zu bewilligen. Daraufhin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 24.05.2012 vorläufig eine angemessene ergänzende Lernförderung, zahlte für die seit 01.03.2012 erfolgte Nachhilfe 280,00 € an die Mutter der Klägerin aus und erteilte einen Gutschein für den we...