Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. einstweiliger Rechtsschutz. Verbrauch der Sachleistung nach § 3 AsylbLG. Erlöschen des Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. unwiederbringlicher Rechtsverlust. Anordnungsgrund. Sozialhilfe nach längerer Aufenthaltsdauer. rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer
Leitsatz (amtlich)
1. Mit dem Verbrauch der Sachleistungen nach § 3 AsylbLG erlischt der (eventuelle) Anspruch auf Barleistungen oder eine ermessensfehlerfreie Entscheidung nach § 2 Abs 1 und 2 AsylbLG.
2. Dieser unwiderbringliche Rechtsverlust führt zu einem Anordnungsgrund.
3. Ein Rechtsmissbrauch iS von § 2 Abs 1 AsylbLG kann erst angenommen werden, wenn der Ausländer etwa versucht, eine Rechtsposition unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu erlangen oder auszunutzen.
Orientierungssatz
1. Ein Rechtsmissbrauch iS von § 2 Abs 1 AsylbLG idF vom 30.7.2004 kann nicht schon dann angenommen werden, wenn Ausländer lediglich ihrer bestehenden Ausreisepflicht nicht nachkommen.
2. Ein unwiederbringlicher Rechtsverlust durch das mit dem Verbrauch der Sachleistung verbundene Erlöschen des Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung liegt auch dann vor, wenn das Ergebnis der Ermessensausübung noch offen ist, weil keine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt und die Behörde bislang ihr Ermessen nicht rechtmäßig ausgeübt hat. Die einstweilige Anordnung kann dann auf die Verpflichtung zur Neuverbescheidung gerichtet sein, wenn ein berechtigtes Interesse daran besteht, dass die Behörde möglichst frühzeitig eine (erneute) Ermessensentscheidung trifft (vgl OVG Bautzen vom 11.11.2002 - 4 BS 228/02 = InfAuslR 2002, 491).
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 25. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
II. Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zur Hälfte zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die vorläufige Bewilligung von Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Der 1970 geborene Beschwerdeführer (Bf.) ist irakischer Staatsangehöriger. Er reiste am 06.03.2002 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter. Seither erhält er Leistungen in Form von Sachleistungen sowie ein monatliches Taschengeld in Höhe von 40,90 € auf der Grundlage von § 3 AsylbLG.
Den Asylantrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge durch Bescheid vom 16.01.2003 ab und führte hierzu aus, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Ausländergesetz und Abschiebungshindernisse nach § 53 des Ausländergesetzes nicht vorlägen. Der Bf. werde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen; im Falle der Klageerhebung ende die Ausreisefrist einen Monat nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Sollte der Kläger die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er abgeschoben.
Mit der hiergegen zum Verwaltungsgericht Chemnitz (VG) erhobenen Klage machte der Bf. die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 53 Ausländergesetz geltend. Diesen Antrag wies das VG durch Urteil vom 08.10.2004 zurück. Ein Abschiebeschutz nach § 53 Abs. 1 und 4 Ausländergesetz könne nicht beansprucht werden. Es bestehe jedoch aufgrund der derzeitigen Erlasslage für den Freistaat Sachsen und einer aus individuellen Gründen erteilten Duldung für den Bf. ein vergleichbarer Schutz vor Abschiebung.
Da der Bf. über kein gültiges Reisedokument verfügte, wurde ihm durch das Landratsamt Zwickauer Land eine Duldung gemäß §§ 55, 56 Ausländergesetz i. V. m. § 5 Abs. 3 Nr. 1 AAZuVO zum Zwecke der Ausweisbeschaffung erteilt. Mit Bescheid vom 26.01.2005 des Regierungspräsidiums Chemnitz wurde der Bf. verpflichtet, bis zum 26.01.2006 alle erforderlichen Vorbereitungen zur Ausstellung eines gültigen Reisepasses zu treffen.
Am 07.01.2005 beantragte der Bf. Leistungen nach § 2 AsylbLG i. V. m. dem SGB XII.
Dies lehnte die Beschwerdegegnerin (Bg.) durch Bescheid vom 02.03.2005 ab, da kein Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 1 und 4 Ausländergesetz bestehe.
Hiergegen legte der Bf. am 16.03.2005 Widerspruch ein, weil aufgrund der Erlasslage des Freistaates Sachsen ein vergleichbarer Abschiebungsschutz bestehe. Zu diesem Widerspruch liegt bislang noch keine Entscheidung vor.
Parallel hierzu hat der Bf. am 16.03.2005 die Leistungen nach § 2 Abs. 1, 2 i. V. AsylbLG i. V. m. dem SGB XII im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht Chemnitz (SG) geltend gemacht und zur Begründung auf die unsichere Lage im Iran verwiesen, wodurch eine freiwillige Rückkehr nicht zumutbar sei. Da eine Ausreise im nächsten Jahr nicht ausgeschlossen werden könne, sei eine schnelle Entscheidung erforderlich; er brauche das Geld. Er habe sich bereits mit seiner Botschaft und seiner Familie im Irak in Verbindung gesetzt, um einen gültigen Pass zu erhalten. Bemühungen, den Pass während des Asylverfahr...