Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadenersatz. Zulässigkeit des Rechtsweges

 

Verfahrensgang

SG Chemnitz (Beschluss vom 22.07.1993; Aktenzeichen S 1 So 1/93)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.03.1998; Aktenzeichen B 9 SB 6/97 R)

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluß des Sozialgerichts Chemnitz vom 22. Juli 1993 wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde zum Bundessozialgericht wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Bf.) begehrt von der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Bg.) die Weiterzahlung von Schadenersatzleistungen wegen eines am 19.03.1974 erlittenen Arbeitsunfalls. Im Beschwerdeverfahren ist nur streitig, ob der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist.

Der Bf. erlitt bei der Arbeitstätigkeit als Beschäftigter des Militärforstwirtschaftlichen Betriebes Erfurt am 19.03.1974 einen Arbeitsunfall. Wegen der dadurch bedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit bezieht er eine Unfallrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Nachdem in einem Einspruchsverfahren ein Schadenersatzanspruch des Bf. gegenüber dem Beschäftigungsbetrieb nach § 98 des Arbeitsgesetzbuches der DDR (AGB) vom 16.06.1977 festgestellt und durch Beschluß des Kreisgerichts Zwickau-Land – Kammer für Arbeitsrecht – vom 22.12.197 5 gerichtlich bestätigt wurde, erhielt der Bf. darüber hinaus aufgrund einer vom Beschäftigungsbetrieb bei der Staatlichen Versicherung der DDR abgeschlossenen (freiwilligen) Haftpflichtversicherung eine Schadenersatzrente. Die laufende Auszahlung dieser Rentenleistung wurde ab 01.01.1979 – zur Erfüllung der Schadenersatzverpflichtung des Beschäftigungsbetriebes – aufgrund eines zwischen dem Bf., der Staatlichen Versicherung der DDR und dem ehemaligen Beschäftigungsbetrieb am 10.01.1980 geschlossenen Rentenvertrages von der Staatlichen Versicherung der DDR übernommen. Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland sowie der Auflösung der Staatlichen Versicherung der DDR hat die Bg. die Zahlung im Auftrag und für Rechnung der Staatlichen Versicherung in Abwicklung, Anstalt des öffentlichen Rechts, zunächst fortgeführt.

Mit der am 08.01.1993 zum Sozialgericht Chemnitz erhobenen Klage wendet sich der Bf. im Hauptsacheverfahren gegen die von der Bg. mit Wirkung zum Ende August 1992 veranlaßte Einstellung der Rentenzahlungen.

Die Bg. hat im Klageverfahren ihre Passivlegitimation sowie die sachliche Zuständigkeit des Sozialgerichts bestritten.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht mit Beschluß vom 22. Juli 1993 den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Zwickau verwiesen. Eine Zuständigkeit der Sozialgerichte zur Entscheidung über den vom Bf. erhobenen Anspruch folge nicht aus § 51 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Dieser Anspruch ergebe sich nicht aus Bestimmungen der gesetzlichen Unfallversicherung, sondern fuße auf Normen, welche an sein ehemaliges Arbeitsrechtsverhältnis anknüpften, und sei aufgrund des – zwischen dem Beschäftigungsbetrieb und der Staatlichen Versicherung der DDR – abgeschlossenen Rentenvertrages begründet worden. Daher handle es sich hier nach Überzeugung des Gerichts um ein privatrechtliches, näherhin ein arbeitsrechtliches Rechtsverhältnis, für das gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und b des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig seien.

Gegen diese Entscheidung des Sozialgerichts richtet sich die am 06.08.1993 beim Sozialgericht eingelegte Beschwerde. In der ehemaligen DDR habe überwiegend (Volks-)Eigentum an den Produktions-, Verwaltungs- und öffentlichen Mitteln bestanden. Der Bf. sei im Zeitpunkt des Unfalls in einem volkseigenen Betrieb der ehemaligen DDR beschäftigt gewesen. In der DDR habe es keine Berufsgenossenschaften gegeben, weshalb die Beschäftigten gegen beruflich bedingte Beschädigungen bei der Staatlichen Versicherung abgesichert gewesen seien. Im Altbundesgebiet träten für Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle die jeweils zuständigen Berufsgenossenschaften ein.

Die vom Sozialgericht vorgenommene Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht sei unzutreffend und nicht sachgemäß. Zwar sei es richtig, daß sich der Anspruch des Bf. aus seinem Berufsleben herleite. In der ehemaligen DDR seien jedoch alle Verfahren auf Kreis- und Bezirksgerichtsebenen entschieden worden. Eigene Gerichte für Sozialrecht seien erst mit dem Einigungsvertrag eingerichtet worden, ohne daß dabei die Frage der gerichtlichen Zuständigkeiten überprüft worden sei. Es sei jedoch zu beachten, daß nach Art. 6 des Staatsvertrages vom 18.05.1990 über die Schaffung der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion eine unabhängige Rechtspflege gewährleistet worden sei. Der Gesetzgeber habe es (offensichtlich) vergessen, für die große Zahl der von der Staatlichen Versicherung geführten Verfahren eine ausdrückliche Zuordnung zu einer Gerichtsbarkeit vorzunehmen. Durch die dadurch geschaffene Unsicherheit sei es in zahlreichen Versicherungsfällen, welche durch di...

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