Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Untätigkeitsbeschwerde. Wirksamkeit eines ohne mündliche Verhandlung ergangenen Beschlusses. irrtümlich unterlassene Zustellung an einen der Beteiligten. Rechtsmitteleinlegung. rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts. Nichttätigwerden eines Rechtsanwalts in einem abgeschlossenen Verfahren. fehlendes Rechtsschutzbedürfnis. Allgemeinkosten der Prozessführung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Zulässigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde.
2. Ein ohne mündliche Verhandlung ergangener Beschluss wird mit der ersten Verlautbarung an einen Beteiligten zwecks Zustellung wirksam. Ab diesem Zeitpunkt ist die Entscheidung für alle Beteiligten unabänderlich. Eine irrtümlich unterlassene Zustellung an einen der Beteiligten ändert nichts an der Wirksamkeit des Beschlusses.
3. Vom Zeitpunkt der ersten Zustellung einer Entscheidung an einen der Beteiligten besteht auch für einen anderen Beteiligten die Möglichkeit, ein Rechtsmittel einzulegen.
4. Eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts ist auch noch möglich, wenn das Hauptsacheverfahren abgeschlossen ist. Voraussetzung ist, dass vor dem Abschluss des Verfahrens ein formell ordnungsgemäßer Prozesskostenhilfeantrag gestellt worden ist und der Antrag entscheidungsreif war.
5. In einem gerichtskostenfreien Verfahren fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe, wenn ein Rechtsanwalt zu keinem Zeitpunkt in dem abgeschlossenen Verfahren tätig geworden ist.
6. Sogenannte Allgemeinkosten der Prozessführung (wie Porto, Telefonkosten und Schreibauslagen), die einem hilfebedürftigen Beteiligten entstandene sind, können im Falle der Prozesskostenhilfebewilligung nicht als "Gerichtskosten" übernommen werden.
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 8. Oktober 2010 wird als unzulässig verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts durch das Sozialgericht Dresden.
Der im Jahr 1965 geborene Antragsteller hat seit dem 25. August 2009 gemeinsam mit seiner mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Lebensgefährtin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) bezogen.
Die Antragsteller stellten am 9. August 2010 einen Fortzahlungsantrag.
Mit Antrag vom 6. September 2010 hat zunächst die Lebensgefährtin des Antragstellers, vertreten durch den Antragsteller, vor dem Sozialgericht Dresden im Verfahren Az. S 20 AS 5703/10 ER den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt. Zudem ist ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung einer namentlich benannten Rechtsanwältin gestellt worden. Auf Nachfrage des Sozialgerichts hat der Antragsteller mit Schreiben vom 24. September 2010 klargestellt, dass sich sowohl der Eilantrag als auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch auf ihn beziehe. Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung haben die Antragsteller erstrebt, die ARGE Sächsische Schweiz-Osterzgebirge zu verpflichten, vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu erbringen, die Kosten für eine Schülermonatskarte in Höhe von 79,80 EUR für die Lebenspartnerin des Antragstellers zu übernehmen sowie dem Antragsteller höhere Regelleistungen zu gewähren, ihn bei einer Krankenkasse anzumelden und die entsprechenden Beitragsleistungen an ihn auszureichen.
Mit Beschluss vom 6. Oktober 2010 hat das Sozialgericht der Lebensgefährtin des Antragstellers Prozesskostenhilfe bewilligt und die von ihr benannte Rechtsanwältin beigeordnet.
Mit Beschluss vom 8. Oktober 2010 hat das Sozialgericht die ARGE Sächsische Schweiz-Osterzgebirge verpflichtet, der Lebensgefährtin des Antragstellers für die Zeit vom 6. September 2010 bis zum 30. September 2010 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 354,06 EUR zu gewähren und im Übrigen den Antrag abgelehnt. Der Antrag des Antragstellers auf Prozesskostenhilfe ist unter Ziffer IV des Beschlusses abgelehnt worden. Das Sozialgericht ist der Auffassung gewesen, dass ihm eine höhere Regelleistung nicht zu gewähren sei, da er mit seiner Lebensgefährtin in einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft lebe. Ein Anspruch auf Versicherung bei einer Krankenkasse bestehe nicht, insoweit habe er auch einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
Der Beschluss vom 8. Oktober 2010 ist an die Lebensgefährtin des Antragstellers sowie deren beigeordnete Rechtsanwältin jeweils am 8. Oktober 2010 und an die ARGE Sächsische Schweiz am 12. Oktober 2010 zugestellt worden. Ein Nachweis über eine Zustellung des Beschlusses vom 8. Oktober 2010 an den Antragsteller findet sich nicht bei den Akten. D...