Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. Statthaftigkeit der Berufung. Erledigungsrechtsstreit. Anwendung der Berufungsbeschränkung des § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG. grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Regelungen über die Klagerücknahmefiktion. Rückgriff auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Berufungsbeschränkung des § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG ist auch auf Berufungen anzuwenden, die sich gegen die Feststellung eines Sozialgerichtes wenden, ein Verfahren sei erledigt (Anschluss an BSG vom 10.10.2017 - B 12 KR 3/16 R).

2. Die am 1.4.2008 in Kraft getretene Klagerücknahmefiktion in § 102 Abs 2 SGG ist an § 92 Abs 2 VwGO angelehnt, der mit dem 6. VwGOÄndG (juris: VwGOÄndG 6) vom 1.11.1996 (BGBl I S 1626) eingefügt worden und § 81 AsylVfG (juris: AsylVfG 1992) nachgebildet ist. Damit kann ergänzend auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu diesen beiden Vorschriften zurückgegriffen werden.

 

Normenkette

SGG § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2, Abs. 2 Nrn. 1-3, § 102 Abs. 2 Sätze 1, 3, § 145 Abs. 1, § 73a Abs. 1 S. 1, § 202 S. 1; VwGO § 92 Abs. 2; AsylVfG § 81; GG Art. 19 Abs. 4; ZPO §§ 3, 114 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 22. März 2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren und Beiordnung eines Bevollmächtigten wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 22. März 2016. In der Sache wendet sie sich gegen die Feststellung des Sozialgerichtes, dass das Klageverfahren Az. S 16 AS 599/15 durch Klagerücknahme beendet worden sei.

Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 17. September 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 10. Oktober 2014 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grund-sicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Monate Oktober 2014 bis März 2015.

Mit Bescheid vom 9. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2015 minderte der Beklagte den der Klägerin zustehenden Anteil des Arbeitslosengeldes II für die Monate November 2014 bis Januar 2015 in Höhe von monatlich 117,30 EUR. Das hiergegen gerichtete Klageverfahren wurde beim Sozialgericht Chemnitz zunächst unter dem Az. S 6 AS 597/15, dann unter dem Az. S 16 AS 597/15 und zuletzt unter dem Az. S 16 AS 4305/15 geführt. Das Rechtsmittelverfahren war beim Sächsischen Landessozialgericht unter dem Az. L 3 AS 404/16 NZB anhängig.

In dem gegen den Änderungsbescheid vom 10. Oktober 2014 gerichteten Widerspruch machte der Klägerbevollmächtigte geltend, dass sich der Minderungsbetrag auf Grund der Sanktion als rechtswidrig erweise und aufzuheben sei. Zu den Kosten der Unterkunft werde derzeit noch nachermittelt. Soweit diese von den eingestellten Beträgen abweichen sollten, werde noch vorgetragen werden.

Mit Änderungsbescheid vom 22. November 2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin die Leistungen für die Monate Januar bis März 2015 endgültig.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2015 zurück.

Am 18. Februar 2015 hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Klage (zunächst Az. S 6 AS 599/15, dann Az. S 16 AS 599/15) erheben lassen. Der Klägerbevollmächtigte hat angekündigt, die Klage durch gesonderten Schriftsatz zu begründen. Der Kammervor-sitzende hat ihm hierfür in der Eingangsmitteilung eine Frist von einem Monat gesetzt. Unter dem 18. Mai 2015 und 29. Juni 2015 ist der Klägerbevollmächtigte an die Klagebegründung erinnert worden. Eine Reaktion ist von Klägerseite zu keinem dieser Schreiben erfolgt.

Mit dem vom Kammervorsitzenden unterschriebenen Schreiben vom 7. Juli 2015 ist der Klägerbevollmächtigte nochmals zur Klagebegründung aufgefordert worden. Er ist auf die Klagerücknahmefiktion aus § 102 Abs. 2 Satz 1 und 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hingewiesen worden. Das Schreiben ist dem Klägerbevollmächtigten am 9. Juli 2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Auch hierauf hat die Klägerseite nicht reagiert.

Mit Beschluss vom 14. Oktober 2015 hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Am selben Tag ist das Verfahren im Statistiksatz ausgetragen worden. Die Verfahrensbeendigung ist den Beteiligten mit gerichtlichem Schreiben ebenfalls vom 14. Oktober 2015 mitgeteilt worden.

Der Klägerbevollmächtigte hat mit Schriftsatz vom 5. November 2015 vorgetragen, dass die Kosten für Unterkunft und Heizung zu gering bemessen seien, und dass die Sanktion rechtswidrig und deshalb aufzuheben sei. Die weiteren knappen Ausführungen betreffen den Antrag, das Klageverfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes über den Vorlagebeschluss des Sozialgerichtes Gotha vom 26. ...

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