Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Versäumung der Berufungsfrist. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Rechtsanwalt. fristwahrende Schriftsätze. Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle. Anforderung an organisatorische Anweisung zur Überprüfung der Telefaxnummer. Abgleich anhand zuverlässiger Quelle
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Rechtsanwalt genügt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden. Dabei darf sich die Kontrolle des Sendeberichts grundsätzlich nicht darauf beschränken, die auf diesem aufgedruckte Telefaxnummer mit der zuvor aufgeschriebenen, etwa in den Schriftsatz eingefügten Telefaxnummer zu vergleichen. Vielmehr muss der Abgleich anhand einer zuverlässigen Quelle, etwa anhand eines geeigneten Verzeichnisses, vorgenommen werden, aus der die Telefaxnummer des Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist (vgl BGH vom 19.12.2017 - XI ZB 16/17 = FamRZ 2018, 610 = juris RdNr 7, mwN).
2. Dem Erfordernis, durch organisatorische Anweisungen sicherzustellen, dass Fehler bei der Ermittlung der Telefaxnummer erfasst werden, kann auch durch die Anweisung genügt werden, die im Sendebericht ausgedruckte Telefaxnummer mit der schriftlich niedergelegten zu vergleichen, wenn sichergestellt ist, dass diese ihrerseits zuvor aus einer zuverlässigen Quelle ermittelt worden ist. Dies setzt aber voraus, dass zusätzlich die generelle Anweisung besteht, die ermittelte Telefaxnummer vor der Versendung auf eine Zuordnung zu dem vom Rechtsanwalt bezeichneten Empfangsgericht zu überprüfen.
Normenkette
SGG § 158 Sätze 1-2, § 64 Abs. 1-3, § 67 Abs. 1-2, § 91 Abs. 1, § 151 Abs. 1-2; ZPO § 85 Abs. 2
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 24. April 2018 wird als unzulässig verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 24. April 2018 (Az.: S 29 AS 646/16) ist als unzulässig zu verwerfen (vgl. § 158 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]). Die Berufung ist nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt worden (vgl. § 151 SGG). Die Entscheidung konnte gemäß § 158 Satz 2 SGG durch Beschluss ergehen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht für erforderlich erachtet. Die Beteiligten wurden zur beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss angehört.
a) Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Nach § 151 Abs. 2 SGG ist die Berufungsfrist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.
Gemäß § 64 Abs. 1 SGG beginnt der Lauf einer Frist, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tag nach der Eröffnung oder Verkündung. Gemäß § 64 Abs. 2 SGG endet eine nach Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages (vgl. § 64 Abs. 3 SGG).
b) Ausweislich des in der Gerichtsakte befindlichen Empfangsbekenntnisses wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin das Urteil vom 24. April 2018 am 23. Mai 2018 zugestellt. Die Berufungsfrist lief damit ab dem 24. Mai 2018 (einem Donnerstag) bis zum 25. Juni 2018 (einem Montag). Die Berufungsschrift der Klägerin vom 25. Juni 2018 ging am 25. Juni 2018 um 17:12 Uhr per Telefax beim Oberlandesgericht Dresden ein. Das Gericht informierte den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 26. Juni 2018 telefonisch über den offensichtlich fehlerhaften Eingang und leitete den Schriftsatz mit Schreiben vom 26. Juni 2018 an das Sächsische Landessozialgericht weiter. Die Berufung ging ausweislich des Eingangsstempels am 28. Juni 2018 und somit erst nach dem Fristende beim Sächsischen Landessozialgericht ein. Die Berufung wurde folglich zu spät eingelegt.
Der Eingang der Berufung beim Oberlandesgericht Dresden am 25. Juni 2018 wahrt die Berufungsfrist nicht. Abweichend von § 91 Abs. 1 SGG wahrt die Einlegung der Berufung bei einem anderen Gericht die Rechtsmittelfrist nicht (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG [12. Aufl., 2017], § 151 Rdnr. 2...