Entscheidungsstichwort (Thema)
Angelegenheiten nach dem SGB II. Überprüfungsantrag. Nachzahlung von Arbeitslosengeld II. Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung des Nachzahlungszeitraumes auf 1 Jahr ab 1.4.2011. Rechtsänderung. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Pflicht zur Spontanberatung
Leitsatz (amtlich)
1. Gegen die Beschränkung des Zeitraums einer möglichen Nachzahlung von vier Jahren auf ein Jahr durch die seit 1. April 2011 geltende Neufassung des § 40 SGB II bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
2. Zwar besteht eine Pflicht zur Rücknahme eines Verwaltungsaktes nach Maßgabe von § 44 SGB X auch ohne Antrag. Eine Behörde ist jedoch wegen des Tatbestandsmerkmals im Einzelfall in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht verpflichtet, ihren Aktenbestand auf Rücknahmefälle durchzusehen.
3. Zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch im Falle des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II.
4. Zur Pflicht zu einer Spontanberatung in Bezug auf (zukünftige) Rechtsänderungen.
Tenor
I. Die Beschwerden der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz 6. November 2013 werden zurückgewiesen.
II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung ihrer Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Klageverfahrens Az. S 5 AS 3095/13.
Gegenstand des Hauptsacheverfahrens ist die Überprüfung der Leistungsbewilligung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) zu Gunsten der Mitglieder der klägerischen Bedarfsgemeinschaft im Zeitraum vom 1. Juli 2008 bis 31. Juli 2008.
Mit Bescheid vom 13. August 2008 wurden den Kläger Leistungen nach dem SGB II bewilligt. Nach Angaben der Kläger betrug für den Zeitraum vom 1. Juli 2008 bis 31. Juli 2008 die Höhe der Leistungen 1021,20 EUR.
Im Dezember 2011 stellten die Kläger einen Antrag auf Überprüfung nach § 44 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Sie machten geltend, die Kosten für Unterkunft und Heizung seien unzutreffend bestimmt worden.
Mit Bescheid vom 1. Februar 2013 lehnte der Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Die Überprüfung habe ergeben, dass bei der Entscheidung vom 13. August 2008 weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Weiter heißt es in dem Bescheid:
"Gemäß § 44 Abs. 4 SGB X i. V. m. § 40 Abs. 1 SGB II können Bescheide nur ein Jahr rückwirkend zum Jahresbeginn (01.01.2011) überprüft werden."
Den Widerspruch der Kläger wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2013 zurück.
Die Klage vom 2. Juli 2013 hat das Sozialgericht mit Urteil vom 6. November 2013 abgewiesen. Wegen § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i. V. m. § 44 Abs. 4 SGB X hätten die Kläger keinen Anspruch auf höhere Leistungen für Zeiträume vor dem 1. Januar 2010.
Den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 6. November 2013 abgelehnt und zur Begründung auf die Ausführungen im Urteil vom gleichen Tage verwiesen.
Mit ihrer Beschwerde vom 28. November 2013 machen die Kläger im Wesentlichen geltend, die Stellung eines Überprüfungsantrags unterliege keiner Frist. Die Neuregelung des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II, mit der der Überprüfungszeitraum für Leistungen nach dem SGB II auf ein Jahr verkürzt worden ist, begegne ernsthaften Zweifeln hinsichtlich der Recht- und Verfassungsmäßigkeit. Auch habe der Beklagte trotz seiner positiven Kenntnis der Neuregelung die Kläger nicht auf die Verkürzung der Jahresfrist hingewiesen. Insoweit bestehe ein "sozialrechtlicher Widerherstellungsanspruch".
Der Bezirksrevisor hält die Beschwerde für nicht statthaft. Der Beklagte hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerde vor dem Hintergrund von § 172 Abs. 3 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig ist, weil sie jedenfalls unbegründet ist.
Das Sozialgericht hat zu Recht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Klageverfahrens abgelehnt. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Der Klage fehlte es an der Erfolgsaussicht. Nach § 44 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB X werden Sozialleistungen, falls ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen und durch einen Zugunsten-Bescheid ersetzt wird, längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Für das Verfahren nach dem SGB II gilt gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II in der seit 1. April 2011 geltenden Fassung (vgl. Artikel 2 Nr. 32 des Gesetzes vom 24. März 2011 [BGBl. I S. 453]) die vorgenannte Regelung mit der Maßgabe, dass anstelle des Ze...