Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Ausschluss der Beschwerde gegen die Entscheidung des SG im Kostenfestsetzungsverfahren. Nichtanwendbarkeit der Regelungen des RVG zur Beschwerde
Leitsatz (amtlich)
1. Das Sozialgericht entscheidet über Erinnerungen gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nach § 197 Abs 2 SGG endgültig. Eine Beschwerde zum Landessozialgericht ist nicht statthaft.
2. Die Rechtsbehelfe des RVG (§ 56 Abs 2, § 33 Abs 3 und 4) finden im Sozialgerichtsprozess auf die Kostenfestsetzung im Verhältnis der Beteiligten untereinander keine Anwendung. § 197 Abs 2 SGG ist abschließend (Fortführung von LSG Chemnitz vom 2.10.2012 - L 8 AS 727/12 B KO).
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 20. Dezember 2012 wird verworfen.
II. Diese Entscheidung ergeht kostenfrei.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz (SG) vom 20.12.2012, mit dem es die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des SG vom 30.12.2011 über die vom Beschwerdegegner im Verfahren S 27 AS 4333/11 zu erstattenden notwendigen außergerichtlichen Kosten zurückgewiesen hat. Die Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses lautet: “Dieser Beschluss ist endgültig (§ 11 Abs. 3 RVG i.V.m. § 197 Abs. 2 SGG).„
Die Beschwerdeführerin hat am 07.01.2013 beim SG Beschwerde erhoben. Die Beschwerde sei zulässig, da § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Rechtsbehelf des § 33 Abs. 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) i.V.m. § 56 RVG nicht verdränge. Es sei allgemein anerkannt und nicht streitig, dass trotz des Wortlautes von § 178 Satz 1 SGG gegen Erinnerungsbeschlüsse über die Vergütung des im Wege der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordneten Anwalts die Beschwerde zulässig sei, sofern der Beschwerdewert erreicht werde. Dies müsse auf § 197 Abs. 2 SGG übertragen werden. Es stünden höhere Gebühren zu.
Die Akten des Klageverfahrens sowie des Kostenfestsetzungsverfahrens einschließlich des Erinnerungsverfahrens und die Beschwerdeakten haben dem Senat vorgelegen.
II.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 20.12.2012 ist unzulässig und war zu verwerfen. Gegen Entscheidungen des SG über Erinnerungen gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Urkundsbeamten ist die Beschwerde nicht statthaft. Denn § 172 Abs. 1 SGG eröffnet die Beschwerde gegen Beschlüsse des SG nur, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Eine solche spezialgesetzliche Regelung trifft § 197 Abs. 2 SGG. Die Vorschrift lautet: “Gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.„ Hiermit ist bestimmt, dass keine Beschwerde zum Landessozialgericht (LSG) statthaft ist (allg. Meinung; vgl. Senatsbeschluss vom 02.10.2012 - L 8 AS 727/12 B KO - juris RdNr. 11).
Eine andere Auslegung ist nicht im Hinblick auf § 178 Satz 1 SGG geboten. Diese Norm bestimmt zwar ähnlich wie § 197 Abs. 2 SGG, dass das gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten angerufene Gericht endgültig entscheidet. Es wird aber die Auffassung vertreten, dass § 178 Satz 1 SGG für Vergütungsfestsetzungsverfahren der im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwälte von § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG als speziellerer Norm verdrängt wird (so Bayerisches LSG, Beschluss vom 04.10.2012 - L 15 SF 13/11 B E - juris RdNr. 11; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30.08.2010 - L 3 SF 6/09 E - juris RdNr. 17; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.12.2009 - L 19 B 281/09 AS - juris RdNr. 25; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29.07.2008 - L 6 B 141/07 - juris RdNr. 18; Thüringer LSG, Beschluss vom 29.04.2008 - L 6 B 32/08 SF - juris RdNr. 15; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 178 RdNr. 3, § 73a RdNr. 13 f.; anderer Ansicht: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18.09.2012 - L 5 AS 44/10 B - juris RdNr. 10 ff.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.03.2012 - L 5 SF 449/11 B E - juris RdNr. 3; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 26.01.2011 - L 1 B 266/09 SF E - juris RdNr. 8 ff.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.05.2011 - L 10 P 112/10 B - juris RdNr. 10 ff.; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29.01.2008 - L 4 B 13/08 SB - juris RdNr. 8 ff.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 14.06.2007 - L 13 B 4/06 AS SF - juris RdNr. 7). Dass § 178 Satz 1 SGG hinter § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG zurücktritt, entspricht der Spruchpraxis des bisher für Kostensachen zuständigen 6. Senats des Sächsischen LSG. Ohne dass dies hier entschieden werden müsste, neigt der erkennende Senat dazu, diese Rechtsprechung fortzuführen. Ohnehin soll durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz in § 1 Abs. 3 RVG klargestellt werden, dass die Vorschriften des RVG über die Erinnerung und die Beschwerde den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren gelten Verfahrensvorschriften - somit auch des SGG mitsamt seines § 178 - vorgehen (siehe BT-D...