Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Umzug junger Erwachsener vor Vollendung des 25. Lebensjahres ohne Zusicherung. Anwendung und Auslegung des § 22 Abs 2a SGB 2
Leitsatz (amtlich)
§ 22 Abs 2a S 1 bis 3 SGB 2 ist nicht auf Personen anwendbar, die zum Zeitpunkt ihres Auszuges aus dem elterlichen Haushalt nicht Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft waren und Leistungen bezogen haben.
Tenor
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 25. Februar 2010 wird hinsichtlich Ziff. I und II des Beschlusstenors geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin 303,00 EUR zu bewilligen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin ein Zehntel ihrer außergerichtlichen Kosten aus beiden Rechtszügen zu erstatten.
III. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt X, R, bewilligt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die Verpflichtung der Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Antragsgegnerin), der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) ab 27.11.2009 bis zum 31.05.2010 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) einschließlich ihrer Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) zu gewähren.
Die Antragstellerin ist am ... 1988 geboren. Sie gehörte vom 07.08.2008 bis 28.02.2009 zur Bedarfsgemeinschaft ihrer Mutter; in diesem Zeitraum wurden der Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebenshaltes nach dem SGB II bewilligt. Nach dem 28.02.2009 befand sich die Antragstellerin nicht im Leistungsbezug.
Seit dem 14.08.2008 befindet sie sich in einer bis zum 31.08.2010 dauernden Qualifizierungsmaßnahme des Projekts “Individuelle Ausbildungspläne (IAP)„, bei der es sich um ein Modellprojekt des Freistaates Sachsen handelt. Am 29.09.2009 suchte sie die Agentur für Arbeit Riesa auf; dort erhielt sie vorab als Information den Ausdruck einer “Anlage zum BAB-Bescheid„, wonach für sie eine Berufsausbildungsbeihilfe (im Folgenden: BAB) von 472,00 EUR monatlich errechnet worden war (Bl. 19 der Gerichtsakte).
Mit Mietvertrag vom 03./05.11.2009 mietete die Antragstellerin für die Zeit ab 16.11.2009 eine 32,27 qm große Einzimmerwohnung zu einem Mietzins von monatlich insgesamt 229,00 EUR (165,00 EUR Grundmiete zuzügl. 32,00 EUR Betriebskosten zuzügl. 32,00 EUR Heizung/Warmwasser). Für November 2009 wurde eine Gesamtmiete von 64,00 EUR errechnet.
Mit Bescheid der Agentur für Arbeit Riesa vom 16.11.2009 wurde der Antrag der Antragstellerin auf BAB abgelehnt. Es handele sich um keine förderfähige Ausbildung, da nur ein Qualifizierungsvertrag und kein Ausbildungsvertrag vorliege. Der gegen den Bescheid eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2009 zurückgewiesen.
Am 27.11.2009 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Sie gab dabei an, das Kindergeld in Höhe von 164,00 EUR erhalte ihre Mutter und zahle es bar an sie aus. Ausweislich einer vom IHK-HWK-Ausbildungsverbund D. e.V. erstellten Einkommensbescheinigung vom 30.11.2009 bezog die Antragstellerin seit März 2009 ein monatliches Arbeitsentgelt i.H.v. 165,00 EUR. Diese Ausbildungsvergütung floss ihr letztmalig Anfang Dezember 2009 zu.
Mit Bescheid vom 15.12.2009 in Form des Änderungsbescheides vom 19.01.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2010 wurden Leistungen in Höhe von 9,47 EUR für die Zeit vom 27.11.2009 bis 30.11.2009, in Höhe von 71,00 EUR für Dezember 2009 und von monatlich 133,00 EUR von Januar bis Mai 2010 bewilligt. Einen Anspruch auf KdU habe die Antragstellerin nicht, da sie in der Absicht umgezogen sei, die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB III (BAB) oder dem SGB II herbeizuführen. Für die Regelleistung ergebe sich ein Betrag von 287,00 EUR monatlich. Insoweit sei aus dem Einkommen i.H.v. 165,00 EUR im Dezember 2009 ein Anrechnungsbetrag von 52,00 EUR berücksichtigt worden. Hinzu komme Kindergeld in Höhe von 164,00 EUR. Ab Januar 2010 sei nur noch Kindergeld i.H.v. 184,00 EUR zu berücksichtigen.
Am 16.02.2010 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Dresden (SG) gestellt und höhere Leistungen nach dem SGB II beantragt. Gleichzeitig ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt worden. Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 25.02.2010 abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass es sowohl bezüglich der Zeit vom 27.11.2009 bis zur Entscheidung des Gerichts als auch für die Zeit ab der Entscheidung des Gerichts bis zum Ende des streitigen Zeitraums an einem Anordnungsgrund fehle. Die Antragstellerin verfüge seit Januar 2010 über monatlich 317,00 EUR (Leistung nach dem SGB II zuzügl. Kindergeld) und könne damit ih...