Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Nichtvorliegen eines Anordnungsgrundes für die Gewährung von Arbeitslosengeld bei Möglichkeit der Inanspruchnahme von Leistungen der Grundsicherung. Ausnahme

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage, ob ein Anordnungsgrund vorliegt, wenn dem Antragsteller die Möglichkeit offen steht, Leistungen der Grundsicherung in Anspruch zu nehmen.

2. Ausnahmsweise kann ein Anordnungsgrund dann vorliegen, wenn die beanspruchte Leistung, hier das Arbeitslosengeld, erheblich über dem Grundsicherungsniveau nach dem SGB 2 oder dem SGB 12 liegt und der Antragsteller bei einer Verweisung auf die Leistung der Grundsicherung schwerwiegende und unzumutbare Nachteile erleiden würde.

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 17. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihr vorläufig Arbeitslosengeld zu gewähren.

Die Antragstellerin meldete sich am 12. Juli 2012 bei der Antragsgegnerin arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Wirkung zum 21. August 2012. Ihr Arbeitsverhältnis war zum 31. Dezember 2011 beendet worden. Vom 4. April 2011 bis 20. August 2012 bezog sie bis zur Erschöpfung des Anspruchs Krankengeld.

Am 6. August 2012 wurde die Antragstellerin durch den Ärztlichen Dienst der Antragsgegnerin sozialmedizinisch begutachtet. Bei ihr wurde eine Erkrankung des psychiatrischen Formenkreises, eine Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule, Übergewicht, Diabetes und Migräne-Neigung festgestellt. Mit diesen Gesundheitsstörungen sei sie in der Lage, vollschichtig gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten, gelegentlich sitzend, gelegentlich stehend und gelegentlich gehend, auszuüben. Hohe Anforderungen an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen, Zeitdruck, anhaltende Zwangshaltungen der Wirbelsäule, häufiges Bücken, häufiges Heben und Tragen ohne mechanische Hilfsmittel und eine Tätigkeit in Nachtschicht seien auszuschließen. Damit bestehe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtige Leistungsfähigkeit, wobei die im negativen Leistungsbild angegebenen Ausschlüsse dauerhaft Beachtung finden sollten.

Am 20. September 2012 sprach die Antragstellerin persönlich bei der Antragsgegnerin vor. Über das Gespräch wurde folgender Vermerk gefertigt:

“Anfrage von 231, Restleistungsvermögen klären

kein Fall nach § 145, AN ist weiterhin krank (derzeit bis 151012) hat Rentenantrag gestellt,

AG ausgewertet - kann VZ vollschichtig arbeiten, Reha Verfahren wurde bereits durch 161 geprüft und abgelehnt, AN stellt sich nicht dem AM zur Verfügung, RR mit 231 erfolgt -- ALG wird abgelehnt -- Hinweis AN kann sich beim Sozialamt melden und muss sich um ihre Krankenkasse kümmern, Bewa abgemeldet, Kundin nicht verfügbar, Hinweis zu WS Ablehnung ALG gegeben„

Mit Bescheid vom 25. Dezember 2012 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosengeld ab. Die Antragstellerin könne nur weniger als 15 Stunden pro Woche arbeiten. Sie habe erklärt, weiterhin arbeitsunfähig erkrankt zu sein und sich dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stellen zu können. Sie sei daher nicht arbeitslos und habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Dagegen legte die Antragstellerin am 9. Oktober 2012 Widerspruch ein. Sie habe parallel zur Beantragung von Arbeitslosengeld bei der Deutschen Rentenversicherung Bund einen Antrag auf Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente gestellt, da sie auf Grund der vorliegenden Erkrankungen und Einschränkungen dauerhaft in der Erwerbsfähigkeit gemindert sei. Es bestehe ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 145 des Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsforderung - (SGB III). Diese Nahtlosigkeitsregelung solle Versorgungslücken bis zur Entscheidung der Rentenversicherung über die bestehende Erwerbsminderung vermeiden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2012 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch als unbegründet zurück. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 145 Abs. 1 SGB III habe auch eine Person, die allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil sie wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung ihrer Leistungsfähigkeit keine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende versicherungspflichtige Beschäftigung unter arbeitsmarktüblichen Bedingungen ausüben kann. Nach dem vom ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit festgestellten Leistungsvermögen könne aber die Antragstellerin noch mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen ausüben. In dem Gespräch vom 20. September 2012 habe sie erklärt, sich dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung zu stellen.

Dagegen hat die Antragstellerin Klage erhoben (Az. S 19 AL 657/12).

Den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 6. Dezember 2012 hat das Sozialgericht Dresden mit Beschluss vom 17. Dezember 2012 abgelehnt. Die Antragstellerin habe schon einen Anordnungsgrund nicht hinreichen...

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