Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 124 Nr 2 Halbs 2 ZPO aF. Ermessensentscheidung des Gerichts. keine Nachholung einer fehlenden oder mangelhaften Ermessensausübung durch das Beschwerdegericht
Leitsatz (amtlich)
1. Die Aufhebungsentscheidung nach § 124 Nr 2 Halbs 2 ZPO aF, wonach das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben konnte, wenn die Partei eine Erklärung nach § 120 Abs 4 S 2 ZPO nicht abgegeben hatte, fällt nicht unter den Beschwerdeausschluss in § 172 Abs 3 Nr 2 SGG aF.
2. Die Entscheidung über die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe stand nach § 124 ZPO aF im Ermessen des Gerichtes.
3. Eine Behörde hat nach § 39 Abs 1 S 1 SGB 1 das ihr eingeräumte Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Umgekehrt hat der Betroffene einen Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens. Mit diesen Anforderungen an das Ermessen korrespondiert die Regelung des § 35 Abs 1 S 3 SGB 10. Danach muss die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Entsprechendes gilt für Beschlüsse des Sozialgerichtes, die gem § 142 Abs 2 S 1 SGG zu begründen sind.
4. Die fehlende oder zumindest unzureichend begründete Ermessensausübung kann nicht durch das Beschwerdegericht nachgeholt werden.
Normenkette
SGG § 172 Abs. 3 Nr. 2, § 142 Abs. 2 S. 1, § 157 Abs. 1; ZPO a.F. § 120 Abs. 4 S. 2, § 124 Nr. 2; SGB I § 39 Abs. 1 S. 1; SGB X § 35 Abs. 1 S. 3
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 26. Juni 2013 aufgehoben.
II. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 26. Juni 2013, mit dem das Sozialgericht den die Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschluss vom 8. April 2009 aufgehoben hat.
Mit Beschluss vom 8. April 2009 wurde dem Kläger für das Klageverfahren S 16 AL 316/08 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H… ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt. Am 22. Juni 2010 hat der Beschwerdeführer die Klage zurückgenommen.
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2012 hat der zuständige Kostenbeamte den Klägerbevollmächtigten aufgefordert, binnen sechs Wochen mitzuteilen, welche Veränderung in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eingetreten seien und gegebenenfalls entsprechende Belege einzureichen. Mit Schriftsatz vom 12. November 2012 hat dieser mitgeteilt, dass der Kläger für ihn nicht erreichbar sei. Nachdem zwischenzeitlich eine neue Anschrift des Klägers in Erfahrung gebracht worden ist, ist der Klägerbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 30. November 2011 erneut um die Einreichung der Belege bis spätestens 15. Januar 2013 gebeten worden. Die Frist ist mit Schriftsatz des Kostenbeamten vom 21. Februar 2013 letztmalig bis zum 30. März 2013 verlängert worden. Nach Fristablauf hat der zuständige Kammervorsitzende den Klägerbevollmächtigten auf die beabsichtigte Aufhebung der Prozesskostenhilfe mit Schriftsatz vom 16. April 2013 hingewiesen. Eine Reaktion auf dieses Schreiben ist nicht erfolgt. Mit Beschluss vom 26. Juni 2013 hat die 16. Kammer des Sozialgerichts durch den Vorsitzenden die mit Beschluss vom 8. April 2009 erfolgte Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufgehoben.
Gegen den dem Klägerbevollmächtigten am 3. Juli 2013 zugestellten Beschluss hat dieser am 5. August 2013 Beschwerde eingelegt. Er hat die Beschwerde nicht näher begründet, da die Kontaktaufnahme mit dem Kläger weiterhin nicht möglich sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 16. August 2010 ist zulässig, insbesondere statthaft.
Gemäß § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Etwas anderes war in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG in der hier maßgebenden, vom 1. April 2008 bis zum 24. Oktober 2013 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 29 Buchst. b des Gesetzes vom 26. März 2008 [BGBl. I S. 444]) bestimmt. Danach war die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneinte.
Nach der ganz überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung fällt die Aufhebungsentscheidung nach § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) in der hier maßgebenden, vom 21. Oktober 2005 bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung, wonach das das Gericht die Bewilligung der Prozesskost...