Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsverwaltungsakt. Verfassungsmäßigkeit. Rechtmäßigkeit. wechselseitige Verpflichtung. Bewerbungsbemühungen. Kostenerstattung. eindeutiger Zusatz. Nebenbestimmung. Geltungsdauer. Ermessen. Hinreichende Bestimmtheit. Anordnung der aufschiebenden Wirkung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs 1 Satz 6 SGB II bestehen nicht.

2. Werden einem Leistungsempfänger im Eingliederungsverwaltungsakt Bewerbungsbemühungen abverlangt, entspricht es einem ausgewogenen Verhältnis der gegenseitigen Leistungen, wenn für jede schriftliche Bewerbung ein Kostenersatz von 5,00 EUR vom Grundleistungsträger bei maximal 20 Bewerbungen im Halbjahr zugesagt wird.

3. Der Zusatz "soweit zwischenzeitlich nichts anderes geregelt wird" ist inhaltlich eindeutig und eröffnet dem Leistungsempfänger die Möglichkeit, durch Verhandlungen mit dem Grundsicherungsträger vor Ablauf des Eingliederungsverwaltungsaktes eine andere Eingliederungsvereinbarung abzuschließen.

 

Normenkette

SGB II § 15 Abs. 1 Sätze 2-3, 6, § 2 Abs. 1; SGB X § 32; GG Art. 12 Abs. 1 S. 2; SGG § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 15. Juni 2016 geändert.

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Eingliederungsverwaltungsakt des Antragsgegners vom 19. Mai 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2016 wird für die Zeit ab 19. November 2016 angeordnet.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes vom 19.05.2016.

Der 1978 geborene, erwerbsfähige Antragsteller bezieht laufend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Antragsgegner. Zuletzt wurden ihm auf den Weiterbewilligungsantrag vom 26.04.2016 monatlich Leistungen in Höhe von 720,30 € für die Zeit von Juni 2016 bis Mai 2017 gewährt.

Aus der vom Antragsgegner nur teilweise vorgelegten Akte ergibt sich kein Bewerberprofil des Antragstellers. Bereits am 30.11.2015 hatte der Antragsgegner einen vom 30.11.2015 bis 31.10.2016 geltenden Eingliederungsverwaltungsakt erlassen. Aus einem verbis-Vermerk des Antragsgegners vom 19.05.2016 ergibt sich, dass mit dem Antragsteller dessen berufliche Situation besprochen worden sei. Er habe sich u.a. auch bei verschiedenen Firmen in der Region A..../E.... als allgemeiner Helfer vordergründig im Elektrobereich beworben. Es heißt weiter: "EGV als VA abgeschlossen (er weigerte sich diese zu unterschreiben) … ".

Der am 19.05.2016 erlassene Eingliederungsverwaltungsakt, dessen Festlegungen für die Zeit vom 19.05.2016 bis 30.04.2017 gelten sollen, sieht Folgendes vor:

"1. Unterstützung durch Jobcenter N…

Das Jobcenter unterbreitet Ihnen Vermittlungsvorschläge, soweit geeignete Stellenangebote vorliegen.

Wir senden Ihnen Stellenvorschläge zu, soweit passgenaue Stellenangebote vorhanden sind. Sie erhalten eine ausführliche und individuelle Beratung nach Ihrem Bedarf, Wir veröffentlichen Ihr Bewerberprofil unter Arbeitsagentur.de anonym.

Wir informieren Sie über Angebote der Job-Vermittlung.

Zur Unterstützung der beruflichen Eingliederung wird eine Maßnahme bei einem Arbeitgeber zur betrieblichen Erprobung befürwortet (max. 14 Tage nach vorheriger Zustimmung durch den Jobcenter).

Wir bieten Ihnen folgende Leistungen zur Anbahnung und Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind und zuvor eine gesonderte Antragstellung erfolgt: Leistungen aus dem Vermittlungsbudget als Kannleistung nach Absprache mit dem persönlichen Ansprechpartner.

Gefördert werden Leistungen aus dem Vermittlungsbudget für schriftliche Bewerbungen (pauschal 5 € pro Bewerbung, max 20 halbjährlich, Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen im regionalen Bereich, bei Notwendigkeit, d.h. z.B. Vorlage einer Einladung.

Weitere Kosten, die zur Arbeitsaufnahme notwendig sind, müssen vor Arbeitsbeginn besprochen werden."

Zu den Bemühungen des Antragstellers ist u.a. ausgeführt, dass er innerhalb der nächsten sechs Monate mindestens 15 Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige/geringfügige Beschäftigungsverhältnisse einschließlich Teilzeitstellen und Zeitarbeitsverhältnisse pro Monat unternehme und im Anschluss an den genannten Zeitraum nachweise. Weiter heißt es:

"Sie bewerben sich zeitnah, d.h. spätestens am dritten Werktag nach Erhalt des Stellenangebotes, auf Vermittlungsvorschläge, die Sie vom Jobcenter/Agentur für Arbeit erhalten haben. Weiterhin erteilen Sie ihrem Arbeitsvermittler innerhalb von 14 Kalendertagen Rückmeldung über die erfolgte Bewerbung.

Bei Krankheit reichen Sie umgehend, spätestens jedoch vor Ablauf des dritten Kalendertages eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bzw. die Beschei...

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