Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Regelungsanordnung. Ablehnung eines Überprüfungsantrages. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Ablehnung der Beantragung einer vorzeitigen Altersrente. Rentenantragstellung durch den Grundsicherungsträger. unzureichende Ermessensausübung bei Erlass des Aufforderungsbescheides

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wenn gegen eine Antragsablehnung im Hauptsacheverfahren eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (oder eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 4 SGG) gegeben ist, kann vorläufiger gerichtlicher Rechtschutz nur über den Erlass einer einstweiligen Anordnung erlangt werden. Dies gilt auch für die Ablehnung eines Überprüfungsantrages nach § 44 SGB X.

2. Zur Frage, in welcher Weise einem Antragsteller vorläufiger gerichtlicher Rechtsschutz zu gewähren ist, wenn ein Jobcenter auf der Grundlage von § 5 Abs 3 S 1 SGB II iVm § 12a SGB II nach einer erfolglosen Aufforderung einen Antrag auf vorzeitige Altersrente stellt.

3. Zur Frage, ob es sich bei der Rentenantragstellung durch ein Jobcenter um eine Vollziehung des Aufforderungsbescheides, einen Rentenantrag zu stellen, iS von § 86b Abs 1 S 2 SGG handelt.

 

Orientierungssatz

Zu den Anforderungen an die Ermessensausübung und an die Begründung der Ermessensentscheidung über den Erlass einer Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente.

 

Tenor

I. Der Beigeladene wird verpflichtet, auf den Antrag auf vorzeitige Altersrente, den der Antragsgegner mit Schreiben vom 23. Februar 2015 gestellt hat, bis zur Entscheidung in der Hauptsache keinen Rentenbescheid zu erlassen.

II. Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Instanzen zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die bestandskräftige Aufforderung des Antragsgegners, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, sowie gegen die Rentenantragstellung durch den Antragsgegner selbst.

Der am … 1951 geborene Antragsteller bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Ihm wurde mit Zuweisungsbescheid vom 5. Februar 2015 eine Arbeitsgelegenheit nach § 16d SGB II zugewiesen.

Aus der Bescheinigung der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland (im Folgenden: Rentenversicherungsträger) vom 12. April 2013 ergibt sich, dass der Antragsteller eine abschlagsfreie Altersrente ab dem 1. August 2016 beziehen könnte und eine Altersrente mit Abschlägen schon ab 1. März 2014 hätte beziehen können. Daraufhin wies der Antragsgegner den Antragsteller mit Bescheid vom 21. Mai 2014 auf die Pflicht zur Beantragung einer geminderten Altersrente ab Vollendung des 63. Lebensjahres hin und forderte ihn unter Fristsetzung bis zum 14. Juni 2014 auf, umgehend einen Rentenantrag zu stellen. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 30. Juli 2014 stellte der Antragsteller einen Überprüfungsantrag nach § 44 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Der Antragsgegner habe sein Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 4. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. September 2014 abgelehnt. Der Antragsteller sei nach § 12a Satz 2 Nr. 1, § 65 Abs. 4 SGB II zur Beantragung einer Altersrente verpflichtet. Die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente sei für ihn nicht unbillig im Sinne des § 13 Abs. 2 SGB II i. V. m. der Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten durch Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente (Unbilligkeitsverordnung - UnbilligkeitsV). Es sei somit kein mit dem Bezug einer vorzeitigen Altersrente verbundener unzumutbarer Nachteil erkennbar und damit auch kein Grund, vom Grundsatz der Nachrangigkeit der Grundsicherungsleistungen abzuweichen.

Der Antragsgegner beantragte mit Schreiben vom 23. Februar 2015 beim Rentenversicherungsträger für den Antragsteller eine Altersrente und meldete zugleich einen Erstattungsanspruch an.

Der Antragsteller hat am 7. Oktober 2014 Klage gegen den Bescheid vom 4. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. September 2014 erhoben (Az. S 7 AS 6013/14).

Der Rentenversicherungsträger hat den Antragsteller am 4. März 2015 unter Hinweis auf den Rentenantrag des Antragsgegners vom 23. Februar 2015 aufgefordert, bis zum 1. Mai 2015 einen formellen Rentenantrag zu stellen.

Daraufhin hat der Antragsteller am 21. April 2015 den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt mit dem Ziel, den Antragsgegner zur Rücknahme des von ihm gestellten Rentenantrages zu verpflichten. Die Ermessensausübung durch den Antragsgegner sei unzureichend. Die Folgen eines Rentenbezuges seien nicht mit den Folgen einer abschlagsfreien Rente abgewogen worden. Die Aufforderung zur Rentenantragstellung sei bereits deshalb rechtswidrig, weil diese im Widerspruch zur Maßnahmenzuweisung nach § 16d SGB II stehe. Di...

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