Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. selbst genutztes Hausgrundstück. Tilgungsraten als Unterkunftsbedarf im Ausnahmefall. weitgehend abgeschlossene Finanzierung mit geringer Restschuld
Leitsatz (amtlich)
1. Ausnahmsweise sind dem Hauseigentümer entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch die Tilgungsraten als angemessene Kosten der Unterkunft anzuerkennen, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitestgehend abgeschlossen ist. Davon kann bei einer vollzogenen Tilgung im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung in Höhe von 93,62 % ausgegangen werden.
2. Ob der Grundstückseigentümer die zu leistenden Tilgungsraten an eine den Kaufpreis finanzierende Bank oder über die Abwicklung des eigentlichen Kaufvertrages an den Verkäufer des Grundstücks als Kaufpreisraten zahlt, spielt für die Frage der Übernahme der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 SGB II durch den Grundsicherungsträger keine Rolle.
3. Die tatsächlichen Tilgungsraten sind auf die Höhe der angemessenen Kosten der Unterkunft am jeweiligen Wohnort zu begrenzen.
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 6. Juli 2018 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller dessen notwendige außergerichtliche Kosten auch in der Beschwerdeinstanz zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Bewilligung höherer Kosten der Unterkunft für das vom Antragsteller bewohnte Eigenheim und dabei speziell um die Frage, ob die Tilgungsraten als Bedarf nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) berücksichtigt werden müssen.
Der 1959 geborene Antragsteller bewohnt allein 50 m² eines ca. 300 m² großes Wohnhaus auf einem 524 m² großen Grundstück in der Y... Straße in X... Nachdem der Antragsteller in diesem Haus zunächst mit seiner Frau und drei Kindern zur Miete gewohnt hatte, schloss er am 11.12.1996 mit der damaligen Eigentümerin einen notariellen Kaufvertrag, wonach er das Grundstück für 230.000,00 DM erwarb. Dabei wurde in Ziffer III. des Kaufvertrages u.a. geregelt:
"Der Kaufpreis ist in monatlichen Raten zu je 1.200,00 DM jeweils zum 03. des laufenden Monats zu zahlen. ...
Der jeweilige Restkaufpreis wird zinslos gestundet. Vorfristige Zahlungen sind zulässig. Der jeweilige Restkaufpreis ist in voller Höhe sofort zur Zahlung fällig und einziehbar,
a) wenn der Käufer trotz Mahnung des Verkäufers mit der Zahlung einer Monatsrate ganz oder teilweise länger als 14 Bankarbeitstage in Verzug gerät
b) wenn über das Vermögen des Käufers das Konkurs- oder Vergleichsverfahren eröffnet oder ein solches Verfahren mangels Masse abgelehnt wird oder wenn der Käufer seine Zahlungen einstellt
c) wenn dem Verkäufer auf Verlangen nicht alsbald nachgewiesen wird, dass die Gebäude ausreichend gegen Brandschaden versichert sind
d) wenn dem Verkäufer auf Verlangen nicht alsbald nachgewiesen wird, dass die das Grundstück betreffenden Steuern und Abgaben bis zum letzten Fälligkeitstermin gezahlt sind.
Der Verkäufer kann statt dessen auch von diesem Vertrag zurücktreten. ...
Im Falle des Rücktritts sind die vom Käufer gezahlten Beträge nicht zu erstatten. Andererseits braucht der Käufer eine Entschädigung für bis dahin gezogene Nutzungen nicht zu leisten. Der Käufer kann auch nicht die bis dahin für das Grundstück aufgebrachten Kosten (Steuern, Reparaturen, Versicherung, usw.) erstattet verlangen. Sollte der Käufer bis zur Ausübung des Rücktrittsrechts den Wert des Grundbesitzes durch Neu-, An-, Um- und Zubauten verbessert haben, so ist ihm der Betrag zu erstatten, um den der Grundbesitz dadurch bis zur Rückübertragung wertvoller geworden ist. ...
Die bis zum Beginn der Zahlung der Kaufpreisraten ab September 1996 durch den Käufer gezahlte monatliche Miete von 1.200,00 DM wird auf den Kaufpreis angerechnet. ..."
Das Wohnhaus besteht aus zwei Wohneinheiten. Zudem befindet sich angrenzend ein Nebengebäude, in welchem der Hauptanschluss für die Stromversorgung des Hauses liegt. Eine anderweitige Vermietung der restlichen Wohnfläche war dem Antragsteller bislang nicht möglich.
Für das von ihm bewohnte Grundstück entstehen dem Antragsteller Kosten für Grundsteuer, Gebäudeversicherung, Abwasser, Trinkwasser, Abfall und Schornsteinfeger.
Im Juni 2018 hatte der Antragsteller 109.596,26 € vom gesamten Kaufpreis in Höhe von 117.597,13 € (=230.000,00 DM) bezahlt. Er überweist an die Verkäuferin des Grundstückskaufvertrages seit 01.09.2007 monatlich 250,00 € als Tilgung auf den Kaufpreis. Die letzte Rate in Höhe von 250,87 € ist im Februar 2021 fällig.
Der Antragsteller steht bei dem Antragsgegner wohl seit 2013 im dauernden Leistungsbezug nach dem SGB II. Er ist seit 2012 behindert mit einem Grad der Behinderung von 30 wegen einer Sehbehinderung und fehlender Niere. Die Kaufpreisrate in Höhe von 250,00 € wurde zunächst vom Antragsgegner be...