Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. rückwirkende Bewilligung für die Zeit vor dem Tod des Antragstellers
Leitsatz (amtlich)
1. Die Prozesskostenhilfe ist eine Form der höchstpersönlichen Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege und kann deshalb nach dem Tod des Hilfebedürftigen grundsätzlich nicht mehr bewilligt werden (Fortführung von LSG Chemnitz vom 20.11.2009 - L 3 B 261/08 AS-PKH).
2. Hiervon abweichend muss die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach dem Tod des Hilfebedürftigen rückwirkend erfolgen, wenn das Gericht bei einem ordnungsgemäßen, unverzüglichen Geschäftsgang die Prozesskostenhilfe zu einem früheren Zeitpunkt hätte bewilligen können (Anschluss an BSG vom 2.12.1987 - 1 RA 25/87 = SozR 1750 § 114 Nr 8).
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 8. März 2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
III. Dem Antragsteller wird ab Antragstellung bis 5. April 2012 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt A… H…, P… L… .., … D… beigeordnet.
Gründe
I.
Der Antragsteller hat am 17. Februar 2012 das Sozialgericht Dresden um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zur vorläufigen Gewährung von Arbeitslosengeld ab dem 21. Januar 2012 zu verpflichten, ersucht.
Mit Beschluss vom 1. März 2012 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Weder Anordnungsgrund noch Anordnungsanspruch seien durch eidesstattliche Versicherung hin-reichend glaubhaft gemacht worden. Die Angaben des Antragstellers zum vollständigen Fehlen finanzieller Mittel zum Bestreiten des Lebensunterhaltes seien unter Berücksichtigung des zuletzt bezogenen Einkommens “zumindest zweifelhaft„. Es fehle aber auch am Anordnungsanspruch. Auf Grund der beim Antragsteller bestehenden Erkrankung und der offenbar bestehenden Schwierigkeiten zur sozialen Anpassung könne nicht positiv festgestellt werden, dass der Antragsteller im Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich der Vermittlung in Arbeit zur Verfügung stehe. Insoweit seien weitere medizinische Ermittlungen, die dem Hauptsacheverfahren vorbehalten seien, erforderlich.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 28. März 2012, die mit einem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe versehen wurde.
Der Antragsteller ist am 5. April 2012 verstorben.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
II.
1. Der Beschwerde ist der Erfolg zu versagen.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) können die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsachverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung so dringlich ist, dass dieser Anspruch vorläufig bis zu Entscheidung in der Hauptsache gesichert werden muss (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.
Ein Anordnungsgrund ist nur dann gegeben, wenn sich aus den glaubhaft gemachten Tatsachen ergib, dass es die individuelle Interessenlage des Antragsteller - unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Interessen des Antragsgegners, der Allgemeinheit oder unmittelbar betroffener Dritter - unzumutbar erscheinen lässt, den Antragsteller zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 20. Mai 2009 - L 3 B 586/07 AS-ER - JURIS-Dokument Rdnr. 33, m. w. N.). Ob die Anordnung derart dringlich ist, beurteilt sich insbesondere danach, ob sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen, ebenso schwerwiegenden Gründen nötig erscheint. Dazu müssen Tatsachen vorliegen bzw. glaubhaft gemacht sein, die darauf schließen lassen, dass der Eintritt des wesentlichen Nachteils im Sinne einer objektiven und konkreten Gefahr unmittelbar bevorsteht (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2010], § 86b Rdnr. 27a).
Es liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Begründung, dass ein Anordnungsgrund, sollte er vor dem Ableben des Antragstellers bestanden haben, jedenfalls mit dem Zeitpunkt seines Todes in Wegfall geraten ist. Ein wesentlicher Nachteil im Sinne einer objektiven und konkreten Gefahr kann nach diesem Zeitpunkt nicht mehr eintreten.
2. Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes war für den Zeitpunkt ab Antragstellung bis zum Ablehnen des Antragstellers stattzugeben.
Die Prozesskostenhilfe ist eine Form der höchstpersönlichen Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege und kann deshalb nach dem Tod des Hil...