Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung. keine relevante Änderung der Sach- und Rechtslage. keine analoge Anwendung von § 86b Abs 1 S 4 SGG
Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des § 86b Abs 1 S 4 SGG findet auf die Abänderung bzw Aufhebung eines Beschlusses, mit dem eine einstweilige Anordnung gemäß § 86b Abs 2 SGG getroffen wurde, keine analoge Anwendung, wenn eine Änderung der Sach- und Rechtlage nicht festzustellen ist.
Tenor
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 9. Mai 2023 aufgehoben.
II. Der Abänderungsantrag des Antragstellers wird abgelehnt.
III. Der Antragsteller hat dem Antragsgegner seine außergerichtlichen Kosten im Abänderungs- und im Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Regelungsanordnung im Beschlusses des Sozialgerichts Dresden vom 25.01.2023 nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für die Zeit ab 01.05.2023.
Der 1966 geborene Antragsgegner steht seit Dezember 2018 beim Antragsteller im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er steht unter Betreuung. Die Betreuung umfasst u.a. den Umgang mit Post sowie die Vertretung gegenüber Behörden und Sozialleistungsträgern. Nachdem der Antragsteller bis zum 30.06.2022 Kosten für Unterkunft und Heizung für eine Wohnung in Y.... OT X.... getragen hatte, stellte er bei einem Vororttermin am 02.06.2022 fest, dass der Antragsgegner dort seit langem nicht wohnte.
Am 26.08.2022 stellte der Antragsgegner Fortbewilligungsantrag, wobei er wiederum die ursprüngliche Wohnanschrift in Y.... OT X.... angab. Anhand der beigefügten Kontounterlagen wurde ersichtlich, dass der Antragsgegner überwiegend außerhalb des Landkreises W.... Gelder von seinem Konto abhob, weshalb ihn der Antragsteller über die gerichtlich bestellte Betreuerin erfolglos aufforderte, zur Klärung der Zuständigkeit seinen tatsächlichen Aufenthaltsort mitzuteilen.
Mit Bescheid vom 28.09.2022, der der Betreuerin mit Postzustellungsurkunde zugestellt wurde, lehnte der Antragsteller den Folgebewilligungsantrag mit folgendem Verfügungssatz ab:
„(..) Sehr geehrter Herr B....,
das Landratsamt W...., Jobcenter, erlässt folgenden
Bescheid
1. Ihr Antrag wird für den Zeitraum vom 1. September 2022 bis 28. Februar 2023 abgelehnt.
2. Für diesen Bescheid werden keine Kosten erhoben. (..)“
Mit Schreiben vom 28.10.2022 erhob der damalige Bevollmächtigte des Antragsgegners, welcher am selben Tag von der Betreuerin beauftragt worden war, gegen den Bescheid Widerspruch und führte aus, der Antragsgegner wohne zwar tatsächlich nicht mehr unter der angegebenen Anschrift. Er halte sich aber weiterhin im Zuständigkeitsbereich des Antragstellers auf. Eine neue Wohnung habe er bisher nicht gefunden. Er sei bei seiner Tante, Frau Dr. U...., unter der im Rubrum ersichtlichen Adresse untergekommen.
Mit Schreiben vom 11.11.2022 forderte der Antragsteller bei der Betreuerin weitere Unterlagen an, die in der Folgezeit vorgelegt wurden. Mit Schreiben vom 28.11.2022 betonte der Bevollmächtigte des Antragsgegners unter Vorlage einer Erklärung der Frau Dr. U.... nochmals, dass sich der Antragsgegner unter der bereits benannten Adresse tatsächlich aufhalte. Im Übrigen seien alle notwendigen Unterlagen vorgelegt. Da der Antragsgegner nachgewiesen mittellos sei, habe nunmehr umgehend zur Vermeidung der Einleitung gerichtlichen Eilrechtsschutzes eine Bewilligung zu erfolgen.
Nachdem der Antragsteller stattdessen weitere Unterlagen und Erklärungen angefordert und Hausbesuche veranlasst hatte, hat der Antragsgegner am 21.12.2022 den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Dresden beantragt mit dem Ziel, einstweilig anzuordnen, dem Antragsgegner bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache - auch rückwirkend für die Zeit ab September 2022 - den Regelsatz gemäß SGB II und die Krankenversicherungskosten auszuzahlen.
Mit Beschluss vom 25.02.2023 hat das Sozialgericht Dresden den Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsgegner vorläufig ab 21.12.2022 anteilige Regelleistungen der Grundsicherung nach dem SGB II i.H.v. 449,00 EUR und ab dem 01.01.2023 Bürgergeld i.H.v. 502,00 EUR monatlich, längstens jedoch bis zum 30.06.2023 zu gewähren. Im Übrigen hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zur Begründung der Befristung hat das Sozialgericht insbesondere ausgeführt, es habe im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorläufig Leistungen bis zum Ende des Bewilligungszeitraumes (30.06.2023) gewährt. Aufgrund des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung sei der Bewilligungszeitraum auf sechs Monate zu verkürzen. Rechtsmittel wurden gegen diesen Beschluss nicht erhoben.
In Ausführung des Beschlusses übersandte der Antragsteller mit Schreiben vom 30.01.2023 der Betreuerin des Antragsgegners ein Schreiben, in d...