Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Betriebsrente. keine zweckbestimmte Einnahme nach öffentlich-rechtlicher Vorschrift. keine Absetzung von Schulgeld. Arbeitslosengeld II. Hilfebedürftigkeit. Bedarfsgemeinschaft. Horizontale Berechnungsmethode. Unterhaltsanspruch. Schüler. Besuch einer Fachoberschulklasse. Anspruch auf Ausbildungsförderung. Einstweilige Anordnung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Betriebsrente ist als Einkommen iS von § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 zu behandeln.
2. Eine Betriebsrente ist keine Leistung iS von § 11a Abs 3 S 1 SGB 2.
3. Für die Frage, ob eine Einnahme in Geld oder Geldeswert als Einkommen iS von § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 zu behandeln ist, ist es unerheblich, ob die Einnahme auf finanziellen Aufwendungen des Antragstellers in der Vergangenheit, auf Leistungen privater Dritter oder auf beitrags- oder steuerfinanzierten Leistungen beruht. Entscheidend ist einzig, ob die jeweilige Einnahme unter eine der Ausnahme- oder Sonderregelungen fällt, auf Grund derer eine Einnahme nicht als Einkommen zu behandeln ist.
4. Schulgeld kann nicht auf der Grundlage von § 11b Abs 1 SGB 2 (iVm § 6 AlgIIV 2008) abgesetzt werden.
Normenkette
SGB II § 7 Abs. 1, 3 Nrn. 2, 5, Abs. 6 Nr. 1, § 9 Abs. 1, § 2 S. 2, § 11 Abs. 1 S. 1, § 11a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1, § 11b Abs. 1 Nr. 5; BAFöG § 2 Abs. 1a S. 1; SGG § 86b Abs. 2 S. 2
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Chemnitz vom 3. April 2012 wird zurückgewiesen.
II. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Chemnitz vom 3. April 2012, mit dem sein Antrag auf einstweilige Gewährung von Arbeitslosengeld II abgelehnt worden ist.
Der 1991 geborene Antragsteller bewohnt zusammen mit seinem 1945 geborenen Vater eine gemeinsame Wohnung. Monatlich bezieht der Antragsteller Kindergeld in Höhe von 184,00 EUR, sein Vater eine Altersrente in Höhe von 1.030,53 EUR und eine Betriebsrente in Höhe von 201,55 EUR. Der Antragsgegner berücksichtigte Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von zusammen 543,26 EUR. Die Antragstellerbevollmächtigte bezifferte diesen Bedarfsanteil in der Beschwerdeschrift auf 650,00 EUR und konkretisierte ihn im Schriftsatz vom 15. Juni 2012 auf 616,55 EUR bis Juni 2012 und auf 654,37 EUR ab Juli 2012. Der Antragsteller besucht eine Fachoberschule mit dem Ziel, das Fachabitur abzulegen. Er hat Schulgeld von monatlich 60,00 EUR zu zahlen.
Der Antragsgegner lehnte den Antrag von 26. Januar 2012 mit Bescheid vom 8. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. März 2012 ab. Hierbei legte er beim Antragsteller einen Regelbedarf in Höhe 299,00 EUR und bei seinem Vater in Höhe von 374,00 EUR zugrunde. Auf der Grundlage einer vertikalen Bedarfsberechnung ge-langte er zu dem Ergebnis, dass das anzurechnende Einkommen den Bedarf übersteige und damit keine Hilfebedürftigkeit bestehe. Der Antragsteller hat hiergegen am 5. April 2012 Klage erhoben, die unter dem Az. S 30 AS 1611/12 geführt wird.
Bereits am 14. März 2012 hat der Antragsteller beim Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Zur Begründung ist vorgetragen worden, dass die ausschließlich arbeitgeberfinanzierte Betriebsrente nicht als Einkommen berücksichtigt werden dürfe.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss Chemnitz vom 3. April 2012 abgelehnt. Der Antrag sei für die Zeit vor der Antragstellung bereits unzulässig, weil Regelungen für die Vergangenheit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur im Ausnahmefall möglich seien, wofür es hier keine Anhaltspunkte gebe. Im Übrigen fehle es sowohl an einem Anordnungsgrund als auch einem -anspruch. Eine Eilbedürftigkeit liege nicht vor, weil die Betriebsrente unabhängig von der Frage, ob sie anrechnungsfrei sei, tatsächlich zur Verfügung stehe und mit ihr der Bedarf gedeckt sei. Aber auch ein Anordnungsanspruch bestehe nicht, weil die Rente nicht in § 11a des Sozialgesetzbuches Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) aufgenommen sei, wo abschließend nicht zu berücksichtigendes Einkommen aufgeführt sei.
Der Antragsteller hat am 4. Mai 2012 gegen den ihm am 4. April 2012 zugestellten Beschluss Beschwerde eingelegt, mit der er sein Begehr weiter verfolgt.
Der Antragsteller beantragt,
1. den Beschluss des Sozialgerichtes Chemnitz vom 3. April 2012 aufzuheben und dem Antragsteller im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zur Vermeidung eines Härtefalles zumindest im Rahmen eines Darlehens Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu bewilligen.
2. dem Antragsteller für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Soweit sich die Antragsteller...