Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Unterkunft und Heizung. Zustimmung zum Umzug. Zuständigkeit. Wohnungserstausstattung. Notwendigkeit und Angemessenheit der Umzugskosten. Selbsthilfe. Umzugshilfe. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Entscheidung über die Zustimmung zum Umzug ist weiterhin der Sozialhilfeträger des bisherigen Wohnortes des Antragstellers örtlich zuständig, auch wenn der Antragsteller zwischenzeitlich umgezogen ist.

2. Zu dem für eine Erstausstattung für die Wohnung notwendigen Hausrat zählen alle Einrichtungsgegenstände, die für eine geordnete Haushaltsführung notwendig sind und die dem Leistungsberechtigten ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen.

3. Ein Umzug ist als notwendig iS des § 29 Abs 1 S 8 SGB 12 anzusehen, wenn ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund vorliegt, von dem sich auch ein Nichthilfeempfänger leiten lassen würde. Es ist nicht ausreichend, wenn der Umzug lediglich sinnvoll oder wünschenswert ist.

4. Ein Hilfebedürftiger ist grundsätzlich gehalten, den Umzug selbst zu organisieren und durchzuführen.

5. Der Anspruch auf Übernahme der Umzugskosten nach § 29 Abs 1 S 7 und 8 SGB 12 ist nur auf die notwendigen und angemessenen Kosten beschränkt. Zu den notwendigen Umzugskosten gehören insbesondere die Aufwendungen für einen eventuell erforderlichen Mietwagen, die Anmietung von Umzugskartons, die Kosten für Verpackungsmaterial und Sperrmüllentsorgung und die üblichen Kosten für die Versorgung mithelfender Familienangehöriger und Bekannter.

6. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten einer professionellen Umzugshilfe besteht nur, wenn der Hilfebedürftige den Umzug zum Beispiel wegen Alters, Behinderung, körperlicher Beeinträchtigungen oder aus sonstigen, in seiner Person liegenden Gründen nicht selbst vornehmen kann.

 

Orientierungssatz

Das Grundrecht auf Freizügigkeit gem Art 11 GG gebietet nicht, einen nicht notwendigen Ortswechsel durch Zusicherung von Umzugskosten erst zu ermöglichen (vgl OVG Bremen vom 24.11.2008 - S 2 B 558/08, S 2 B 559/08).

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 23. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten - auch des Beschwerdeverfahrens - sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Zustimmung des Antragsgegners zur Übernahme der Umzugskosten und Gewährung einer Umzugshilfe.

Der 1957 geborene und alleinstehende Kläger bezieht Grundsicherungsleistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII). Der Antragsteller ist nach einem Schlaganfall im Jahr 2004 voll erwerbsgemindert und bezieht eine befristete Rente. Am 13. September 2007 verzog er von seinem bisherigen Wohnort R.-R. im Landkreis Sch.H. nach L. . Das Appartement in der R. Straße 203 in … L. hat eine Wohnfläche von 31 m² und wurde vom Antragsteller bereits zum 1. September 2007 angemietet. Der Mietvertrag wurde am 22./24. August 2007 unterzeichnet. Die Kostenübernahme für den Umzug nach L. beantragte der Antragsteller vor dem Umzug nach L. beim Antragsgegner, dem Landratsamt Sch. H. .

Der Antrag wurde mit Bescheid vom 30. August 2007 abgelehnt und damit begründet, dass die Voraussetzungen, unter denen nach § 2 Abs. 1 und § 29 Abs. 1 SGB XII Umzugskosten übernommen werden können, nicht vorlägen. Ein Umzug sei nur dann notwendig, wenn der Auszug aus der bisherigen Wohnung geboten sei. Die vom Antragsteller vorgebrachten Gründe, nach L. umzuziehen, lägen jedoch im Bereich der persönlichen Lebensgestaltung. Zwar habe er drei Angebote von Umzugsfirmen vorgelegt, diese seien jedoch für einen Umzug für eine Person aus einer Wohnung mit der Größe von 45 m² unangemessen und nicht nachvollziehbar. Daher könne dem Antrag der Gewährung einer Umzugshilfe nicht entsprochen werden.

Den Widerspruch des Antragstellers wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2007 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Übernahme der Kosten an die “vorherige Zustimmung des Sozialhilfeträgers„ gebunden sei. Da nur ein unvollständiger Ausdruck des Mietvertrags vorliege, könne nicht beurteilen, wann der Vertrag abgeschlossen wurde. Zwar sei vom Antragsteller in einer E-Mail vom 10. September 2007 mitgeteilt worden, dass keine Probleme darin gesehen würden, den Mietvertrag wieder rückgängig zu machen. Daraus könne aber geschlossen werden, dass der Mietvertrag bereits ohne Zustimmung des Sozialhilfeträgers geschlossen worden sei. Der Umzug sei auch sozialhilferechtlich nicht notwendig und auch nicht vom Träger der Sozialhilfe selbst veranlasst worden. Die Wohnung in R.-R. sei ohne Zutun des Sozialhilfeträgers gekündigt worden. Die Begründung, dass von R.- R. aus ein Besuch seiner Ärzte nicht, in L. aber besser möglich sei, greife nicht. Der Antragsteller habe zu anderen Zeiten mitgeteilt, aktiv am motorisierten Straßenverkehr (Motorradfahren, Autofahren) teilnehmen zu können. Die...

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