Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung. Aufwandsentschädigung in Form einer steuerfreien Fahrkostenpauschale aus ehrenamtlicher Tätigkeit neben Unfallrenten. Absetzung des erhöhten Grundfreibetrags von der Aufwandsentschädigung. gesonderte Bereinigung des Renteneinkommens. zusätzliche Absetzung der Versicherungspauschale

 

Orientierungssatz

1. Auch wenn bei Zusammentreffen mehrerer Einkommensarten grundsätzlich die Einkommensbereinigung nach § 11b Abs 1, Abs 2 SGB 2 nur einmal vorzunehmen ist, gilt dies nicht wenn privilegiertes Einkommen nach § 11b Abs 2 S 3 SGB 2 und nicht privilegiertes Einkommen zusammentreffen. In derartigen Fällen ist eine gesonderte Einkommensbereinigung für die unterschiedlichen Einkommensarten vorzunehmen mit der Folge, dass hier neben dem erhöhten Grundfreibetrag von 200 Euro von den Einkünften aus ehrenamtlicher Tätigkeit (§ 11b Abs 2 S 3 SGB 2) der Absetzbetrag aus § 11b Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 2 iVm § 6 Abs 1 Nr 1 AlgIIV 2008 von dem Renteneinkommen abzuziehen ist.

2. Der Entscheidung des BSG vom 28.10.2014 - B 14 AS 61/13 R = SozR 4-4200 § 11b Nr 6 liegt zwar zugrunde, dass Einkommen aus ehrenamtlicher Tätigkeit und Erwerbseinkommen zusammentrafen, aber es gibt keinen erkennbaren Grund innerhalb der nichtprivilegierten Einkommensarten zu unterscheiden und im Verhältnis zu privilegiertem Einkommen unterschiedlich zu behandeln.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.09.2022; Aktenzeichen B 7/14 AS 59/21 R)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 24.01.2017 abgeändert und der Bescheid des Beklagten vom 27.06.2013 in der Fassung des Bescheids vom 02.08.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2014 aufgehoben, soweit vom Renteneinkommen der Klägerin kein Freibetrag von 40,40 EUR monatlich für den Zeitraum vom 01.05.2013 - 31.10.2013 mehr angerechnet und von der Klägerin die Erstattung von 80,80 EUR verlangt wird.

2. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Rechtszüge.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Berufungsklägerin und Klägerin (nachfolgend: Klägerin) wendet sich gegen die teilweise Aufhebung (und Erstattung in Höhe von 80,80 €)) der ihr bewilligten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) wegen Einkünften aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit.

Die 55 Jahre alte, erwerbsfähige Klägerin war ledig und erhielt seit dem Jahre 2005 fortlaufend Grundsicherungsleistungen vom Berufungsbeklagten und Beklagten (nachfolgend: Beklagter).

Sie bewohnte eine 48m² große Wohnung in der A-Straße in A., für die sie im Jahre 2013 eine Grundmiete in Höhe von 237,31 €, eine Vorauszahlung für Betriebskosten in Höhe von 32,00 €, eine Vorauszahlung für Kaltwasser in Höhe von 9,00 € sowie eine Vorauszahlung für Heizkosten in Höhe von 59,00 € (Warmmiete gesamt: 337,31 €) zahlte.

Der Klägerin flossen im streitgegenständlichen Zeitraum folgende Einkünfte aus Unfallrenten zu:

Zuflussmonat

Unfallkasse Y.

Berufsgen. X.

Mai 2013

86,26 €

87,41 €

Juni 2013

86,26 €

87,41 €

Juli 2013

89,10 €

90,29 €

August 2013

89,10 €

90,29 €

September 2013

89,10 €

90,29 €

Oktober 2013

89,10 €

90,29 €

Weitere Einkünfte erzielte die Klägerin bei Antragstellung nicht. Sie verfügte über kein Vermögen.

Mit Bescheid vom 20.03.2013 bewilligte der Beklagte der Klägerin zunächst Leistungen für den Zeitraum 01.04.2013 - 31.10.2013 in Höhe von monatlich 586,04 €. Auf den monatlichen Gesamtbedarf der Klägerin von 719,31 € (382,00 € Regelleistung und 337,31 € Kosten der Unterkunft und Heizung) rechnete der Beklagte das Renteneinkommen - bereinigt um die allgemeine Versicherungspauschale und einen anteiligen Beitrag zur KFZ-Haftpflichtversicherung in Höhe von 10,40 € - an.

Die Klägerin nahm zum 01.05.2013 eine ehrenamtliche Tätigkeit für das Evangelisch-Lutherische Kirchspiel A. auf. Sie erhielt eine steuerfreie Aufwandsentschädigung in Höhe von monatlich 154,00 €.

Am 21.06.2013 ging beim Beklagten ein Schreiben der Klägerin ein, mit dem sie dem Beklagten die Aufnahme der ehrenamtlichen Tätigkeit ab dem 01.05.2013 und eine Veränderung der Rentenhöhe ab dem 01.07.2013 mitteilte. Die Klägerin legte dazu die Vereinbarung über die ehrenamtliche Tätigkeit mit dem Ev.-Luth. Kirchspiel A. vom 30.04.2013 bei. Aus dieser ergab sich, dass die Klägerin bei einer wöchentlichen Anwesenheitszeit von 15 Stunden als Pauschale für Fahrtkosten monatlich 154 € steuerfrei erhielt.

Mit Bescheid vom 27.06.2013 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung aus dem Bescheid vom 20.03.2013 nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungs- verfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) für die Zeit vom 01.05.2013 bis 31.10.2013 in Höhe von monatlich 40,40 € auf und gewährte der Klägerin Leistungen unter bedarfsmindernder Berücksichtigung des Renteneinkommens - allerdings nun ohne Abzug der Versicherungspauschale und des Beitrags zur KFZ-Haftpflichtversiche...

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