Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Zulässigkeit von zwei Teilzulassungen mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag auch im Bezirk von zwei Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen. Anfechtungsbefugnis einer Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung bei Zulassung im Bezirk einer anderen Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung. Sicherstellungsauftrag. Persönliche Leistungserbringung. Einheitlicher Vertragsarztsitz. Zweigpraxis. Interessenkollision. Residenzpflicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Erteilung von zwei Teilzulassungen an einen Vertrags(zahn)arzt mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag ist - auch im Bezirk von zwei Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen - rechtmäßig.

2. Eine Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung ist nur dann zur Anfechtung einer Zulassung im Bezirk einer anderen Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung berechtigt, wenn die dortige Zulassung rechtlich relevante Rückwirkungen auf die Sicherstellung der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung in ihrem eigenen Bezirk hat.

 

Normenkette

SGB V § 72 Abs. 1 S. 2, §§ 75, 95 Abs. 1 S. 7, Abs. 3 S. 1, § 100 Abs. 4, § 103 Abs. 8; Zahnärzte-ZV § 18 Abs. 1 S. 3, § 19a Abs. 1-2, § 20 Abs. 1-2, § 24 Abs. 3; GG Art. 12 Abs. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.02.2015; Aktenzeichen B 6 KA 11/14 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 14. September 2011 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III. Die Revision wird zugelassen.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 93.648,36 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Erteilung einer zweiten Teilzulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag.

Der zu 7 beigeladene Zahnarzt ist seit 1997 in A… zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Seinen Antrag auf Ermächtigung einer Zweigpraxis in C… lehnte der Zulassungsausschuss für Zahnärzte S… mit Beschluss vom 11.02.2009 ab. Daraufhin beantragte er am 04.03.2009 die Erteilung einer Teilzulassung für einen hälftigen Vertragszahnarztsitz in C…. Nachdem sein Versorgungsauftrag in A… vom Zulassungsausschuss für Zahnärzte T… mit Beschluss vom 03.06.2009 ab 01.07.2009 auf die Hälfte beschränkt worden war, erteilte ihm der Zulassungsausschuss für Zahnärzte S… mit Beschluss vom 24.06.2009 eine Teilzulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag für den Vertragszahnarztsitz in C….

Gegen den Beschluss vom 24.06.2009 legte die klagende Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) T… Widerspruch ein. Es sei eine als Teilzulassung deklarierte Zweigpraxis-Ermächtigung erteilt worden. Deren Voraussetzungen nach § 24 Abs. 3 Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte (Zahnärzte-ZV) seien nicht erfüllt, weil die Tätigkeit in C… entgegen § 6 Abs. 6 Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z)/§ 8a Abs. 1 Bundesmantelvertrag-Zahnärzte/Ersatzkassen (EKV-Z) nicht auf ein Drittel der Tätigkeit in A… beschränkt sei. Einer Teilzulassung für C… stünde auch § 20 Abs. 2 Zahnärzte-ZV entgegen, da die bereits in A… ausgeübte vertragszahnärztliche Tätigkeit mit der weiteren vertragszahnärztlichen Tätigkeit in C… wegen der Gefahr der Vermischung beider Tätigkeiten unvereinbar sei. Zudem sei eine Verletzung der Residenzpflicht nach § 24 Abs. 2 Zahnärzte-ZV zu befürchten.

Der beklagte Berufungsausschuss wies den Widerspruch mit Bescheid vom 30.11.2009 zurück. Die Erteilung zweier Teilzulassungen sei zulässig. Dies zeige die Begründung zum Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) vom 22.12.2006 (BGBl. S. 3439).

Die Klägerin hat am 16.12.2009 beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage erhoben. Weder aus dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) noch aus der Zahnärzte-ZV ergebe sich, dass ein Vertragszahnarzt zwei Zulassungen in den Bezirken zweier KZÄVen haben könne. Die Möglichkeit der Ausübung einer weiteren Tätigkeit an einem anderen Ort als dem Vertragszahnarztsitz sei abschließend in § 24 Abs. 3 Zahnärzte-ZV geregelt. Die Regelung wäre nicht nötig und sinnlos, wenn die Möglichkeit bestünde, zwei Teilzulassungen zu erhalten.

Der Beklagte und die zu 1 beigeladene KZÄV S… haben erwidert, eine ausdrückliche Regelung, dass zwei Teilzulassungen erteilt werden dürften, sei unter Berücksichtigung des Grundrechts aus Art. 12 Grundgesetz (GG) nicht nötig.

Mit Urteil vom 14.09.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Erteilung von zwei Teilzulassungen sei rechtmäßig. Eine weitere Teilzulassung des Beigeladenen zu 7 wäre nur dann ausgeschlossen, wenn dieser seinen vollen Versorgungsauftrag in A… beibehalten hätte. Dies folge aus der gesetzlichen Wertung in § 95 Abs. 3 SGB V. Die Zulassung in A… habe der Beigeladene zu 7 jedoch auf einen hälftigen Versorgungsauftrag reduziert und die Zulassung in C… von vornherein nur für einen hälftigen Versorgungsauftrag begehrt. § 24 Abs. 3 Zahnärzte-ZV schließe zwei Teilzulassungen nicht aus, sondern regele nur, unter welchen Voraussetzungen eine Tätigkeit an einem anderen Ort als dem Vertragszahnarztsitz ausgeübt werden könne. Den Mater...

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