Entscheidungsstichwort (Thema)
Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben. Berufsbildungsbereich einer WfbM. fehlende Werkstattfähigkeit eines schwerbehinderten Menschen wegen zu hohem Betreuungsbedarf
Orientierungssatz
1. Werkstattfähigkeit iS des § 136 SGB 9 setzt voraus, dass der behinderte Mensch gemeinschaftsfähig und nicht außerordentlich pflegebedürftig ist. Außerordentliche Pflegebedürftigkeit ist gegeben, wenn der Behinderte im Arbeitstraining oder später am Arbeitsplatz so weitgehend von Pflege abhängig ist, dass eine Teilnahme an Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich oder eine Beschäftigung im Arbeitsbereich ausgeschlossen ist (vgl BSG vom 10.3.1994 - 7 RAr 22/93 = SozR 3-4100 § 58 Nr 6).
2. Eine Aufnahme in den Berufsbildungsbereich ist auch dann ausgeschlossen, wenn die Betreuung des behinderten Menschen mit dem Betreuungsschlüssel der Einrichtung nicht zu erreichen ist. Maßstab für diese Werkstattfähigkeit sind die Verhältnisse in der Werkstatt, in der der Schwerbehinderte aufgenommen wird (vgl BSG vom 29.6.1995 - 11 RAr 57/94 = BSGE 76, 178 = SozR 3-4100 § 58 Nr 7). Es besteht kein Förderanspruch, wenn die Werkstattfähigkeit nicht gegeben ist, weil dauerhaft ein Betreuungsaufwand erforderlich ist, der durch die konkrete Werkstatt nach deren Personalschlüssel im Berufsbildungsbereich nicht geleistet werden kann.
3. Ist ein behinderter Mensch ohne Arbeitsassistenz und 1:1-Betreuung nicht in der Lage, eine Maßnahme im Eingangs- und Bildungsbereich zu absolvieren, so liegt keine Werkstattfähigkeit vor.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 23. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten hat die Beklagte dem Kläger nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Kostenübernahme für Leistungen im Berufsbildungsbereich der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) R... als Leistung zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben.
Bei dem ... 1985 geborenen Kläger besteht eine autistische Behinderung mit zeitweiliger, grob motorischer Unruhe und ungewöhnlichen Kontaktverhalten sowie eine leichtgradige Intelligenzminderung mit Verhaltensbesonderheiten.
Der Antragsteller ist als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 100 mit dem Merkzeichen B, G, H, RF anerkannt und steht unter Betreuung seiner Mutter. Er besuchte zunächst die Lernbehindertenschule D... bevor er auf Grund seiner Behinderung in die Förderschule für geistig Behinderte D... umgesetzt wurde, die er bis zum dritten Jahr der Werkstufenklasse absolvierte. Während eines in den letzten beiden Schuljahren durchgeführten Werkstattpraktikums sollte der Antragsteller durch einen persönlichen Betreuer auf diesen Arbeitsbereich vorbereitet werden.
Am 1. Dezember 2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Ein Gutachten des ärztlichen Dienstes der Beklagten vom 22. März 2006 ergab dauerhafte Leistungsunfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, aber eine mindestens sechsstündige Leistungsfähigkeit für Arbeiten in einer WfbM bei anfänglich notwendiger “Werkstattassistenz„ von 15 bis 20 Stunden pro Woche. Der Kläger sei unter diesen Voraussetzungen Werkstatt- und gemeinschaftsfähig. Mit Bescheid vom 5. Dezember 2005 erklärte sich die Beklagte für die Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben an den Kläger zuständig.
Nach Bewilligung einer Einzelbetreuung für den Kläger durch eine ABM-Kraft und Zustimmung des Fachausschusses der Werkstatt wurde der Antragsteller unter Kostenübernahme durch die Beklagte ab 1. September 2006 zunächst für drei Monate in das Eingangsverfahren der WfbM R... aufgenommen. Ein Beobachtungs- und Entwicklungsbericht der Werkstatt stellte am 9. November 2006 fest, dass der Kläger weiterer Fördermaßnahmen durch die Aufnahme in den Berufsbildungsbereich vom 1. Dezember 2006 bis 30. November 2008 bedürfe. Der Kläger habe gute Chancen, dem Berufsbildungsbereich mit vielfältigem Zuwachs an Fähigkeiten und Fertigkeiten zu bewältigen, sich im Laufe der Zeit zu integrieren und sich auf das Werkstattumfeld einzustellen. Voraussetzung sei allerdings eine weitere Einzelbetreuung während der gesamten Zeit des Berufsbildungsbereichs, die mit dem Entwicklungsfortschritten in ihrer Intensität reduziert werden könnte. Der Kläger benötige weiter praktische und direkte Hilfe, die über das Hinausgehe, was die Werkstatt innerhalb des ihr zur Verfügung stehenden Betreuungsschlüssels anbieten könne. Ein weiteres Gutachten des ärztlichen Dienstes der Beklagte kam am 27. November 2006 unter Bezugnahme auf eine ärztliche Stellungnahme der behandelnden Psychiaterin vom 24. November 2006 zu dem Schluss, dass mit dem vorhandenen Personalschlüssel in Werkstätten für behinderte Menschen eine Werkstattfähigkeit und Gemeinschaftsfähigkeit des Klägers für den Aufenthalt im Berufsbildungsbereich nicht gegeben sei.
Mit Besc...