Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Anfechtung eines Prozessvergleichs. bloße Verdeutlichung von Prozessrisiken keine Drohung. Wirksamkeit auch bei Ausschluss der Leistungspflicht wegen Unmöglichkeit
Leitsatz (amtlich)
Die bloße Verdeutlichung von Prozessrisiken kann grundsätzlich nicht als Drohung iS von § 123 Abs 1 Alt 2 BGB gewertet werden.
Orientierungssatz
Der Wirksamkeit eines Prozessvergleichs steht es nicht entgegen, dass der Schuldner wegen subjektiver oder objektiver Unmöglichkeit gemäß § 275 BGB nicht zu leisten braucht und das Leistungshindernis schon bei Vertragsschluss vorlag. Bei anfänglicher Unmöglichkeit hat der Gläubiger vielmehr Anspruch auf Schadensersatz nach Maßgabe von § 311a Abs 2 BGB.
Tenor
I. Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 22. April 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten hat die Beklagte den Klägern nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Rechtsstreit durch den gerichtlichen Vergleich vom 11. März 2008 beendet worden ist.
Die Kläger bezogen seit dem 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunter-haltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Zwischen den Beteiligten bestehen seit Anbeginn Differenzen bezüglich der Höhe der erstattungsfähigen Kosten für Unterkunft und Heizung, insbesondere darüber, ob der nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Sohn der Kläger zu 1 und 2, T… M…, Wohnräume in dem im Eigentum des Klägers zu 1 stehenden Anwesens, bestehend aus den Gebäudeteilen mit postalischer Anschrift B… L… und in E… (Ortsteil R…), nutzt. Hierzu wurden und werden von den Beteiligten eine Vielzahl von Rechtsstreiten durchgeführt.
Mit Bescheid vom 15. Dezember 2004 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 14. April 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2005 wurden den Klägern Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 und mit Bescheid vom 11. Juni 2005 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 16. Juni 2005 und 4. Juli 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 2005 für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005 Leistungen bewilligt. Diese Bescheide waren Gegenstand des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Dresden mit dem Aktenzeichen S 31 AS 398/05. Im Rahmen eines Erörterungstermins schlossen die Beteiligten am 11. März 2008 unter dem Az. S 12 AS 398/05 vor dem zuständigen Richter am Amtsgericht M... den folgenden Vergleich:
“1. Der Beklagte zahlt an die Kläger im Bewilligungsgesamtzeitraum vom 01.01.2005 bis 31.12.2005 weitere Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 200,- €.
2. Der Kläger zu 1. verpflichtet sich, mit seinem Sohn T… M… einen Mietvertrag zu schließen über die im Haus des Klägers zu 1., B… La… in E…/OT R… an Herrn T… M… zur Verfügung gestellten Räume (ggf. als Mitbenutzung). Ob der Kläger zu 1. seinem Sohn T… M… eine Grundmiete in Ansatz bringt, liegt in seinem Ermessen. Regelungen zu treffen sind im Mietvertrag jedoch insbesondere über die von Herrn T… M… zu zahlenden Nebenkosten, insbesondere Grundsteuer, Abfallgebühren, Schornstein, Gebäudepflichtversicherung, Wasser, Abwasser und ggf. Heizung. Sofern keine gesonderten Abrechnungsunterlagen für die zur Verfügung gestellten Räume vorliegen, sind die Nebenkosten so zu regeln, dass diese anteilig zu der auf das gesamte Haus (10/10a) entfallenen Kosten zu übernehmen sind.
3. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
4. Damit ist der Rechtsstreit erledigt.„
Ausweislich der Niederschrift über den Erörterungstermin wurde der Vergleich den Beteiligten vorgespielt und genehmigt.
Mit Schriftsatz vom 31. März 2008, eingegangen beim Sozialgericht am 2. April 2008, hat der Kläger zu 1 “Widerspruch zum Ergebnis des Erörterungstermins der 12. Kammer, Az. S 12 AS 398/05 vom 11. März 2008, erhalten am 28. März 2008„ eingelegt. Darin hat er erklärt, dass der vom Kammervorsitzenden “erlassene Vergleich„ von der Bedarfsgemeinschaft R… M… angefochten werde. Er sei dem seelischen und psychischen Druck an dem Tag nicht gewachsen gewesen. Der ermittelte Wert zu den Kosten der Unterkunft sei für ihn in der Verhandlung nicht nachvollziehbar gewesen. Der Forderung der Beklagten, die Wohnlichkeiten besichtigen zu müssen, sei der Richter gefolgt. Auf sein Angebot, dies ohne die Beklagte tun zu können, sei er nicht eingegangen. Unter dem Az. S 12 AS 2915/09 WA hat das Sozialgericht unter anderem im Rahmen eines Erörterungstermins vom 2. März 2010 wegen der begehrten Fortsetzung des Verfahrens den Kläger zu 1 befragt sowie den damaligen Kammervorsitzenden und den Sohn der Kläger zu 1 und 2, T… M…, als Zeugen vernommen. Insoweit wird auf die ausführliche Niederschrift der Erörterung vom 2. März 2010 (Blatt 315 bis 321 SG-Akte) verwiesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 22. April 2010 hat das Sozialgericht festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den gerichtlichen Vergleich vom 11...