Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Sperrzeit bei Arbeitsablehnung. mehrere Sperrzeiten. zwei zeitgleich erfolgte Arbeitsangebote. eine Sperrzeit. wiederholte Pflichtverletzung. vorherige Feststellung der ersten Sperrzeit durch Verwaltungsakt
Orientierungssatz
1. Mehrere Arbeitsangebote an einem Tag können nur als einheitlicher Vorgang angesehen werden, der nur zu einer Sperrzeit führt, da der Arbeitslose nur ein Arbeitsangebot annehmen kann und die Ablehnung durch eine Handlung als einheitlichen Akt und aus einem einheitlichen Motiv heraus erfolgt.
2. Der Eintritt einer zweiten Sperrzeit für eine wiederholte Pflichtverletzung gem § 144 Abs 4 S 1 Nr 2 SGB 3 setzt voraus, dass der Eintritt einer ersten Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung vorher durch Verwaltungsakt festgestellt wurde.
Normenkette
SGB III § 144 Abs. 4 S. 1 Nrn. 2, 3 Fassung: 2008-12-21, § 159 Abs. 4 S. 1 Nr. 1; SGB X § 24 Abs. 1, 2 Nr. 5, § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4; SGB II § 40 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers werden die Urteile des Sozialgerichts Dresden vom 28. Mai 2015 sowie die Bescheide vom 30. Januar 2012 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 20. Februar 2012 aufgehoben.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Verfahrenszügen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit des Eintritts zweier Sperrzeiten vom 1. Dezember 2011 bis 11. Januar 2012 (sechs Wochen) und vom 12. Januar 2012 bis 4. April 2012 (zwölf Wochen) und um die Erstattung von Arbeitslosengeld sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Der 1988 geborene Kläger meldete sich nach seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Beikoch bei einer Cateringfirma am 31. Mai 2011 bei der Beklagten mit Wirkung zum 1. Juli 2011 arbeitslos. Mit dem Bescheid über die vorläufige Bewilligung von Arbeitslosengeld vom 17. August 2011 und mit endgültiger Bewilligung vom 12. September 2011 wurde dem Kläger Arbeitslosengeld ab 1. Juli 2011 für 300 Kalendertage bewilligt.
Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 29. November 2011 wurden dem Kläger insgesamt 2 Vermittlungsvorschläge unterbreitet: als Beikoch im Z. und als Koch bei Y. in X. Das Stellenangebot als Beikoch bei der Firma Wirtschaftsgesellschaft mbH W. V. wurde nach Angaben der Beklagten dem Kläger per Post am 30. November 2011 übersandt.
Mit Schreiben vom 4. Januar 2012 hörte die Beklagte den Kläger wegen des Eintritts einer Sperrzeit wegen Nichtvorstellung und Bewerbung beim Y. an, mit separaten Schreiben vom 9. Januar 2012 erfolgte die Anhörung bezüglich der Nichtbewerbungen bei den Firmen Z. und der Wirtschaftsgesellschaft mbH W. V. Eine konkrete Dauer der Sperrzeit wurde in den Anhörungsschreiben nicht angedroht.
In seinen Stellungnahmen vom 16. Januar 2012 räumte der Kläger ein, sich nicht beworben zu haben. Dies werde er umgehend nachholen.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2012 stellte die Beklagte den Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit vom 1. Dezember 2011 bis 21. Dezember 2011 wegen fehlender Kontaktaufnahme bei Z. fest und hob die Bewilligung von Arbeitslosengeld für diesen Zeitraum gemäß § 144 Abs. 4 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung- (SGB III) i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) auf. Bei der Unterbreitung des Arbeitsangebotes als Beikoch bei Z. sei der Kläger darüber belehrt worden, dass eine Sperrzeit eintrete, wenn die angebotene Beschäftigung nicht angenommen oder das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses verhindert werde.
Mit weiterem Bescheid vom 30. Januar 2012 stellte die Beklagte den Eintritt einer sechswöchigen Sperrzeit vom 1. Dezember 2011 bis 11. Januar 2012 fest und hob die Bewilligung von Arbeitslosengeld für diesen Zeitraum wegen des Eintritts einer zweiten und somit sechswöchigen Sperrzeit gemäß § 144 Abs. 4 Nr. 2 SGB III aufgrund der Nichtbewerbung des Klägers bei dem Y. in X. gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X auf und forderte die Erstattung von 397,50 € Arbeitslosengeld, welches in der Zeit vom 1. Dezember 2011 bis 31. Dezember 2011 zu Unrecht gezahlt worden sei. Die Sperrzeit mindere den Anspruch auf Arbeitslosengeld um 42 Tage.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2012 stellte die Beklagte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit für die Zeit vom 12. Januar 2012 bis 4. April 2012 aufgrund der Nichtbewerbung des Klägers als Beikoch bei der Firma Wirtschaftsgesellschaft mbH gemäß § 144 Abs. 4 Nr. 3 SGB III fest. Die Sperrzeit mindere den Anspruch auf Arbeitslosengeld um 84 Tage. Die Bewilligung von Arbeitslosengeld sei gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X aufzuheben.
Hiergegen legte der Kläger am 1. Februar 2012 Widerspruch ein. Er habe sich nachträglich auf die drei Stellen telefonisch beworben. Er könne nicht verstehen, dass man gleich eine Sperre bekomme, welche so lang sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Fe...