Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellungsklage. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung bei selbstständiger Arbeit. prospektive Einkommensschätzung durch Hilfebedürftigen. Mitwirkungspflicht
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Pflicht eines Selbständigen zur Vornahme voraussichtlicher Einkommens- und Ausgabenschätzungen nach dem Formular "Vorläufige Angaben zum Einkommen aus Selbständigkeit" (EKS) handelt es sich um eine dem Hilfebedürftigen zumutbare Mitwirkungshandlung.
2. Für die Feststellung, das beklagte Jobcenter habe sicherzustellen, dass bewilligte Regelleistung und Einkommen monatlich mindestens einen Betrag in Höhe der (gesetzlichen) Regelleistung ergeben, besteht kein Feststellungsinteresse.
3. Es gibt keinen Anspruch auf Erteilung einer Auskunft darüber, anhand welcher Maßstäbe, Mittel und Methoden ein Hilfebedürftiger sein Einkommen und seine Ausgaben für sechs Monate im Voraus prognostizieren kann.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 9. September 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wehrt sich gegen die Obliegenheit, Angaben zu seinen voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben aus selbstständiger Tätigkeit zu machen.
Der Kläger bezieht seit Januar 2005 zunächst von der ARGE L… und seit 1. Januar 2011 vom Beklagten - mit kurzen Unterbrechungen - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Seit Dezember 2005 ist er als Rechtsanwalt selbstständig tätig.
Am 30. April 2009 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Leipzig mit dem Begehren auf Feststellung, dass er nicht verpflichtet sei, voraussichtliche Einkommens- und Ausgabenschätzungen vorzunehmen, dass die Beklagte sicherzustellen habe, dass ihm aus bewilligter Regelleistung und Einkommen monatlich mindestens ein Betrag in Höhe der Regelleistung zur Verfügung stehe und, hilfsweise, den Beklagten zur Auskunftserteilung darüber zu verurteilen, wie er “vorläufige Angaben zum Einkommen aus Selbstständigkeit„ im entsprechenden Formblatt sinnvoll prognostizieren könne.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 9. September 2010 abgewiesen. Sie sei in den Hauptanträgen mangels Feststellungsinteresse unzulässig, weil der Kläger belastende Entscheidungen der Beklagten abwarten und sodann gegen diese vorgehen könne. Insoweit sei die Feststellungsklage subsidiär. Der Hilfsantrag sei ebenfalls unzulässig, weil der als Verpflichtungsklage auf Auskunftserteilung zu verstehenden Klage kein Verwaltungs- und Vorverfahren vorausgegangen sei.
Mit der Berufung vom 4. Oktober 2010 verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Hauptanträge seien zulässig, weil ein Zuwarten auf künftige belastende Entscheidungen nicht zumutbar sei. Der Hilfsantrag sei, weil das Auskunftsersuchen weit über ein Jahr alt sei, jedenfalls als Untätigkeitsklage zulässig.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 9. September 2010 aufzuheben und
1. festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, voraussichtliche Einkommens- und Ausgabenschätzungen laut EKS für den Zeitraum eines halben Jahres im Voraus vorzunehmen;
2. festzustellen, dass die Beklagte bei der Festsetzung des bei der Einkommensanrechnung zu berücksichtigenden künftigen Einkommens aus selbständiger Tätigkeit verpflichtet ist sicherzustellen, dass dem Kläger aus bewilligter Regelleistung und Einkommen monatlich mindestens ein Betrag in Höhe der Regelleistung zur tatsächlichen Verfügung bleibt;
3. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft darüber zu erteilen, anhand welcher Maßstäbe und mit welchen Mitteln und Methoden Einkommen und Ausgaben aus Anwaltstätigkeit gem. Formular “Vorläufige Angaben zum Einkommen aus Selbständigkeit„ (EKS) für 6 Monate im Voraus (sinnvoll) prognostiziert werden können.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts im Wesentlichen für zutreffend, vertritt davon abweichend aber die Auffassung, dass das mit dem Hilfsantrag verfolgte Begehren auf Erteilung einer Auskunft nicht auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet sei.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung ist unbegründet. Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf die begehrten Feststellungen noch auf Verpflichtung der Beklagten zur Auskunftserteilung zu.
1. Es besteht kein Anlass zu der Feststellung, dass der Kläger zur Vornahme voraussichtlicher Einkommens- und Ausgabenschätzungen nach EKS nicht verpflichtet ist. Vielmehr handelt es sich bei der insoweit vorzunehmenden Prognose um eine dem Hilfebedürftigen zumutbare Mitwirkungshandlung (vgl. Bay. LSG, Urteil vom 30. Juli 2010 - L 7 AS 12/...