Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. rückwirkende Aufhebung. begünstigender Verwaltungsakt. Auszahlung an Maßnahmeträger. Zweckverfehlung. Ermessensentscheidung. Rechtswidrigkeit. Änderung der Verhältnisse. Rücknahme für die Vergangenheit. gebundene Entscheidung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bewilligung einer ABM ist für den Maßnahmeträger ein begünstigender Verwaltungsakt, der nur unter den Voraussetzungen der §§ 45, 47 oder 48 SGB 10 aufgehoben werden darf, weil ihm die Bewilligung das Recht gibt, die Auszahlung der ABM-Mittel an sich selbst zu verlangen und er mit diesen Fördermitteln von den ABM-Kräften - auch wenn er sie vollständig an diese weiterreicht - i.d.R. auch im eigenen Interesse liegende Tätigkeiten durchführen lässt.
2. Der Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit gemäß § 47 Abs 2 SGB 10 setzt voraus, dass die bewilligte Geldleistung der Erfüllung eines bestimmten, nunmehr verfehlten Zwecks dient, der ausdrücklich und für den Empfänger erkennbar im Verwaltungsakt selbst festgelegt ist und sich nicht nur aus der allgemeinen Zwecksetzung der Sozialleistung oder aus deren Rechtsgrundlage ergibt.
3. Auch dann erfordert der Widerruf aber die Ausübung von Ermessen, wenn dieses nicht ausnahmsweise auf "Null" reduziert ist, was nicht der Fall ist, wenn die ABM trotz Zweckverfehlung so wie sie tatsächlich durchgeführt wurde - nach Ermessen - hätte ebenso bewilligt werden können.
4. Wird die ABM anders als beantragt durchgeführt und verfehlt so ihren ursprünglichen, aber nicht ausdrücklich im Bescheid geregelten Zweck, kann eine Aufhebung der ABM für die Vergangenheit - ggf nach Umdeutung - auf die §§ 45, 48 SGB 10 gestützt werden, selbst wenn die ABM so wie sie tatsächlich durchgeführt wurde, hätte ebenso bewilligt werden können. Denn die ABM-Bewilligung ist als Ermessenentscheidung schon dann rechtswidrig iSd § 45 SGB 10 bzw es tritt eine wesentliche Änderung iSd § 48 SGB 10 ein, wenn das Ermessen mangels Kenntnis der Behörde von der tatsächlich verrichteten Tätigkeit nicht pflichtgemäß ausgeübt werden konnte.
5. Ist die ABM-Bewilligung nur deshalb rechtswidrig bzw. deshalb eine wesentliche Änderung eingetreten, weil ein bloßer Ermessensfehler vorliegt, obwohl die Bewilligungsvoraussetzungen trotz veränderter Umstände weiter vorliegen, ist § 330 Abs 2 und 3 SGB 3 einschränkend auszulegen und auch bei einer Rücknahme gemäß den §§ 45, 48 SGB 10 Ermessen auszuüben. Denn die Behörde kann nicht im Sinne einer gebundenen Entscheidung verpflichtet sein, eine Bewilligung aufzuheben, wenn sie nach ihrem pflichtgemäßem Ermessen sofort eine rechtmäßige Entscheidung gleichen Inhalts erlassen könnte.
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 17.01.2005 abgeändert und der Widerrufs- und Erstattungsbescheid vom 21.04.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2001 vollständig aufgehoben.
II. Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zur Hälfte zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich nach einer zu 1/12 erfolgreichen Anfechtungsklage in erster Instanz noch gegen den Widerruf einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) vom 01.12.1998 bis 30.11.1999 (12 Monate) zu 11/12 des Förderzeitraums sowie gegen die daraus folgende Erstattungsforderung in Höhe von noch 27.142,99 DM (13.877,99 €).
Die Klägerin, eine Kommune, beantragte am 27.08.1998 (Posteingang) die Förderung einer ABM für einen Arbeitnehmer in Teilzeit mit 30 Wochenarbeitstunden als Zuschuss zu 100 % des Bruttoarbeitsentgelts zur Durchführung von Projekttagen im Rahmen offener Kinderfreizeitarbeit. Sie gab an, dass Kinder in der Holzwerkstatt des Montessori-Kinderhauses “Schlumpfenland„ angeleitet bzw. betreut und ihnen Kenntnisse zum sicheren und gefahrlosen Umgang bei Holzarbeiten und beim Basteln vermittelt werden sollen, was im öffentlichen Interesse liege, da dies die Kinder zur selbständigen Lebensgestaltung ertüchtige. Als Tätigkeiten seien eine Anleitung zur kreativen Beschäftigung sowie Planung und Organisation von Projekten vorgesehen. Ohne Förderung könne diese Arbeit nicht durchgeführt werden, da hierfür das Personal fehle. Ein Dauerarbeitsplatz werde dadurch jedoch nicht geschaffen. Die Tätigkeit erfordere pädagogische Fähigkeiten, Fertigkeiten in der Holzbearbeitung sowie Organisationstalent.
Die Klägerin erklärte durch die Unterschrift eines ihrer Mitarbeiter im Antragsformular unter Punkt 15.6, dass sie sich verpflichte, der Beklagten jede Änderung gegenüber ihren Angaben im Antrag unverzüglich mitzuteilen, die sich auf die Zahlung der Förderung auswirkt, insbesondere den zweckfremden Einsatz eines zugewiesenen Arbeitnehmers.
Mit Anerkennungsbescheid vom 20.10.1998 bewilligte die Beklagte der Klägerin gemäß ihrem Antrag und der dazugehörigen Unterlagen einen Zuschuss von 100 % des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts einer Teilzeitkraft mit 30 Wochenarbe...