Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Berufskraftfahrer. Berufsschutz. Verweisbarkeit. Facharbeiter
Leitsatz (amtlich)
Versicherte, die zu Zeiten der DDR den Beruf des Berufskraftfahrers erlernt und in diesem Beruf langjährig auch nach Inkrafttreten der Berufskraftfahrer-Ausbildungsverordnung vom 19.4.2001 (juris: KraftfAusbV 2001) zumindest dreijährig tätig waren und überwiegend Tätigkeiten im erlernten Berufsbild ausgeübt haben, genießen Berufsschutz auf der Stufe des Facharbeiters. Maßgeblich ist bei dieser Bewertung auch, dass der zu Zeiten der DDR erlernte Beruf des Berufskraftfahrers sowohl zum Transport von Gütern als auch zum Transport von Personen befähigte und damit die nach altem bundesrepublikanischem Recht geteilten Berufsausbildungen vereinigte.
Orientierungssatz
Zum Leitsatz vgl LSG Chemnitz vom 21.1.2014 - L 5 R 689/12.
Normenkette
SGB VI § 240 Abs. 2 Fassung: 2000-12-20, § 43 Abs. 1 S. 1 Nrn. 2-3, Abs. 2 S. 2, Abs. 3 Hs. 2, § 300 Abs. 2, § 302b Abs. 1; Berufskraftfahrer-Ausbildungsverordnung (DDR) § 4 Abs. 1 Anl. Nrn. 1, 4; ArbZG § 4 S. 1
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 25. Oktober 2012 abgeändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 21. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2009 verurteilt, dem Kläger, ausgehend von einem Leistungsfall am 12. Februar 2009, Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 1. März 2009 nach Maßgabe und in Höhe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zur Hälfte zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Versichertenrente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.
Der 1954 geborene Kläger erlernte von September 1970 bis Juli 1972 den Beruf des Bäckers, den er mit Facharbeiterzeugnis vom 8. Juli 1972 abschloss. Er war anschließend von August 1972 bis September 1972 als Bäckergeselle tätig und gab diesen Beruf aus gesundheitlichen Gründen (Asthma bronchiale, sogenanntes Bäckerasthma bei Mehlstauballergie) auf und bezieht von der zuständigen Berufsgenossenschaft aufgrund anerkannter Berufskrankheit eine Unfallrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 vom Hundert (vH). Er war von Oktober 1972 bis Mai 1973 als Werkstatthelfer, von Mai 1973 bis Januar 1977 als Anlagenfahrer und Isolierhelfer sowie von Januar 1977 bis Januar 1990 als Berufskraftfahrer beschäftigt; dabei qualifizierte er sich im Zeitraum von Mai 1978 bis Juni 1979 im Wege der Erwachsenenqualifizierung zum Berufskraftfahrer, was ihm mit Facharbeiterzeugnis vom 15. Juni 1979 bescheinigt wurde. Er war von Juli 1990 bis Dezember 1991 als Berufskraftfahrer, von Januar 1992 bis März 1992 als Kraftfahrer und Tiefbauarbeiter und von April 1992 bis März 2011 als Berufskraftfahrer beschäftigt. Seit 12. Februar 2009 besteht Arbeitsunfähigkeit. Er bezog Krankengeld von der Krankenkasse und zuletzt Arbeitslosengeld II vom Jobcenter.
Den am 16. Februar 2009 gestellten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21. April 2009 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 10. September 2009, nach Beiziehung des berufsgenossenschaftlichen Gutachtens von Prof. Dr. H (Ärztlicher Direktor der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie der B Kliniken B ) vom 4. Juli 2008 und Einholung eines Gutachtens auf orthopädischem Fachgebiet von Dr. B (Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie und Sportmedizin) vom 30. März 2009 ab. Im Ergebnis der medizinischen Sachaufklärung sei festzustellen, dass bei ihm ein Leistungsvermögen für mindestens sechs Stunden täglich für leichte bis mittelschwere Arbeiten zeitweise im Stehen und im Gehen und überwiegend im Sitzen in Tages- bzw. Früh- und Spätschicht ohne Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge, ohne Anforderungen an das Sehvermögen, ohne schlechte Sichtverhältnisse, ohne Personenbeförderung, ohne häufiges Bücken, Knien, Klettern und Steigen, Ersteigen von Leitern und Gerüsten, Zwangshaltungen im Bereich der Wirbelsäule sowie Absturzgefahr vorliege. Eine rentenrechtlich relevante Einschränkung der Wegefähigkeit sei nicht belegt. Das Leistungsvermögen sei nach eingehender Untersuchung und Befunderhebung sowie unter Auswertung aller einschlägigen Unterlagen eingeschätzt worden. Die zur Entscheidungsfindung erheblichen medizinischen Unterlagen seien schlüssig und überzeugend begründet. Eine weitere medizinische Sachaufklärung sei nicht erforderlich. Mit diesem Leistungsvermögen könne er zwar nicht mehr als Berufskraftfahrer tätig sein. Berufsunfähigkeit liege jedoch nicht vor, da der zuletzt ausgeübte Hauptberuf als Berufskraftfahrer der Gruppe der Angelernten im oberen Bereich zuzuordnen sei und der Kläger unter Berücksichtigung de...