Verfahrensgang
SG Leipzig (Urteil vom 21.04.1999; Aktenzeichen S 9 AL 742/96) |
Tenor
I. Auf die Berufung wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 21. April 1999 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind für das Klage- und Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg) in der Zeit ab 13.11.1996, insbesondere jedoch darüber, ob die Zeit des Bezugs von ESF-Unterhaltsgeld (ESF-Uhg) eine einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichgestellte Zeit im Sinne des § 107 Abs. 5 d) AFG ist.
Der am … in Russland geborene Kläger arbeitete, bevor er am 22.11.1994 in die Bundesrepublik Deutschland einreiste, als Ingenieur in St. Petersburg (Russland). Nach seiner Einreise wurde er als ausländischer Flüchtling (Kontingentflüchtling) anerkannt.
Auf seinen Antrag vom 20.12.1994 bewilligte ihm die Beklagte für die Zeit vom 09.01.1995 bis zum 07.07.1995 Sachleistungen für die Teilnahme an einem Deutschkurs für Spätaussiedler und Kontingentflüchtlinge. Während des Kurses bezog der Kläger Eingliederungshilfe.
Am 29.06.1995 und am 23.08.1995 beantragte er jeweils die Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Bildung. Mit Bescheid vom 07.08.1995, geändert durch die Bescheide vom 27.12.1995 und vom 01.02.1996, bewilligte die Beklagte dem Kläger ESF-Uhg für die Zeit vom 17.07.1995 bis 12.11.1996. Im Merkblatt „Bildungsinitiative Herbst '95” vom 08.08.1995 wies die Beklagte darauf hin, dass Zeiten des Bezuges von ESF-Uhg keine Gleichstellungszeiten seien, mithin während des Bezuges kein Arbeitslosengeldanspruch erworben werde.
Am 24.10.1996 meldete sich der Kläger bei der Beklagten mit Wirkung vom 13.11.1996 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg.
Mit Bescheid vom 19.11.1996 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Anwartschaftzeit – eine der Voraussetzungen für den Bezug von Alg – sei nicht erfüllt, weil der Kläger innerhalb der Rahmenfrist von 3 Jahren vor der Arbeitslosmeldung nicht mindestens 360 Kalendertage in einem die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis gestanden habe.
Gegen diesen Bescheid richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 26.11.1996. Nach dem Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) vom 28.02.1996, Aktenzeichen L 3 AL 85/95, seien Zeiten des Bezugs von ESF-Uhg den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichgestellt. Daher stehe ihm ein Anspruch auf Alg zu.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.1996 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zeiten des Bezuges von ESF-Uhg seien keine gleichgestellten Zeiten im Sinne des § 107 AFG, weil während dieser Zeit keine Beiträge abgeführt worden seien und eine Sozialversicherungspflicht nicht bestanden habe.
Mit Schriftsatz vom 23.12.1996, eingegangen beim Sozialgericht (SG) Leipzig am selben Tag, hat der Kläger Klage erhoben, die er im Wesentlichen auf seinen Vortrag im Widerspruchsverfahren stützt.
Mit Urteil vom 21.04.1999 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 19.11.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.1996 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 13.11.1996 Alg zu gewähren. Der Kläger habe die Anwartschaftszeit für den Alg-Anspruch durch den Bezug von ESF-Uhg in den Zeiten vom 17.07.1995 bis 24.03.1996 und vom 05.04.1996 bis 12.11.1996 erfüllt. Nach § 107 Satz 1 Nr. 5 d) Arbeitsförderungsgesetz (AFG) stünden den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung Zeiten des Bezuges von Uhg nach dem AFG oder aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 3 Abs. 5 AFG in entsprechender Anwendung des AFG gleich. Der Kläger habe zwar kein Uhg nach dem AFG bezogen, jedoch stelle das ESF-Uhg ein solches aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 3 Abs. 5 AFG in entsprechender Anwendung des AFG dar. Dies resultiere aus § 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 8 der Richtlinien für aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanzierte zusätzliche Maßnahmen zur arbeitsmarktpolitischen Flankierung der Strukturanpassungen im Bundesgebiet vom 28.06.1991, BAnz. S. 5583. Die für den Erlass einer derartigen Richtlinie erforderliche Ermächtigung ergebe sich aus der 16. Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 13.04.1962, BGBl. I S. 237, die gem. § 242 Abs. 3 AFG fortgelte.
Gegen das der Beklagten ausweislich Empfangsbekenntnisses am 20.07.1999 zugestellte Urteil hat diese am 11.08.1999 Berufung eingelegt. Das vom Kläger bezogene ESF-Uhg stelle kein Uhg aufgrund einer Rechtsverordnung in entsprechender Anwendung des § 3 Abs. 5 AFG dar. Rechtsgrundlage für das gewährte Uhg sei vielmehr § 3 Abs. 5 2. Alternative AFG i.V.m. der Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und der Bundesanstalt für Arbeit über zusätzliche Maßnahmen zur arbeitsmarktpolitischen Flankierung der Strukturanpassungen im Beitrittsgebiet vom 02.07.1991. Die Verwaltungsvereinbarung und die Richtlinien seien zur gleiche...