Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Höhe der Regelleistungsvolumina für die Quartale III/2009 und IV/2009. Zuschlag für eine fach- und schwerpunktübergreifende Berufsausübungsgemeinschaft. Auslegung von Beschlüssen des Bewertungsausschusses und des Merkmals der "fach- und schwerpunktübergreifenden Berufsausübungsgemeinschaft"
Leitsatz (amtlich)
1. Auch die Beschlüsse des Bewertungsausschusses nach § 87b Abs 4 S 1 SGB V in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007 zur Berechnung und Anpassung der Regelleistungsvolumina sind als vertragsärztliche Vergütungsregelungen in erster Linie nach dem Wortlaut auszulegen.
2. Daher ist das Merkmal der "fach- und schwerpunktübergreifenden Berufsausübungsgemeinschaft" im Sinne von Nr 1 S 1 Buchst b Teil A des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 20.4.2009 im weiterbildungsrechtlichen Sinne auszulegen. Zu berücksichtigen sind bei der Anwendung der Zuschlagsregelung nach diesem Beschluss auch Schwerpunktbezeichnungen (hier: Kinderradiologie und Neuroradiologie), für die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (juris: EBM-Ä 2008) keine besonderen Gebührenordnungspositionen vorgesehen waren.
Orientierungssatz
Zu Leitsatz 2 vgl BSG vom 11.12.2013 - B 6 KA 4/13 R = SozR 4-2500 § 87b Nr 5.
Tenor
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Dresden vom 27. November 2013 sowie der Regelleistungsvolumen-Zuweisungsbescheide vom 26. Juni 2009 und 10. August 2009 (jeweils Quartal III/2009), vom 14. September 2009 (Quartal IV/2009), vom 20. November 2009 (Quartal III/2009 und IV/2009), vom 18. Dezember 2009 (Quartal III/2009) und vom 18. März 2010 (Quartal IV/2009) und des Bescheids vom 20. November 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. November 2010 verurteilt, der Klägerin jeweils um 20 % erhöhte Regelleistungsvolumina für die Quartale III/2009 und IV/2009 aufgrund einer fach- und schwerpunktübergreifenden Berufsausübungsgemeinschaft zuzuweisen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 261.002,85 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Regelleistungsvolumina für die Quartale III/2009 und IV/2009, insbesondere über die Höhe des Zuschlags für eine fach- und schwerpunktübergreifende Berufsausübungsgemeinschaft (BAG).
Die Klägerin ist eine BAG mit Sitz in A..., an der in den streitigen Quartalen III/2009 und IV/2009 drei Fachärzte für Nuklearmedizin und neun Fachärzte für Radiologie bzw. Diagnostische Radiologie beteiligt waren. Von den Fachärzten für Radiologie verfügte eine Ärztin über die Schwerpunktbezeichnung Kinderradiologie und ein Arzt über die Schwerpunktbezeichnung Neuroradiologie; diese beiden Ärzte waren auch mit ihrem Schwerpunkt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) hatte zur Leistungssteuerung auf der Grundlage von Regelleistungsvolumina in § 8 Abs. 3 Unterabsatz 5 Satz 3 der Vereinbarung zur Honorarverteilung im Bereich der Beklagten in der ab dem 1. Juli 2009 geltenden Fassung des zweiten Nachtrags vom 30. Juni 2009 (HVV) Folgendes geregelt:
Ab dem 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2009 gelten folgende Regelungen:
a) die Regelleistungsvolumen für fach- und schwerpunktgleiche Berufsausübungsgemeinschaften und Praxen mit angestellten Ärzten der gleichen Arztgruppe werden um 10 % erhöht und
b) die Regelleistungsvolumen für fach- und schwerpunktübergreifende Berufsausübungsgemeinschaften, Medizinische Versorgungszentren und Praxen mit angestellten Ärzten anderer Arztgruppen bzw. Schwerpunkte werden um 5 % je Arztgruppe bzw. Schwerpunkt für maximal 6 Arztgruppen bzw. Schwerpunkte sowie für jede weitere Arztgruppe bzw. jeden weiteren Schwerpunkt um weitere 2,5 %, maximal jedoch insgesamt um 40 % erhöht.
Mit Bescheid vom 26. Juni 2009, geändert durch Bescheid vom 10. August 2009, wies die Beklagte der Klägerin ein Regelleistungsvolumen für das Quartal III/2009 zu, des Weiteren mit Bescheid vom 14. September 2009 ein Regelleistungsvolumen für das Quartal IV/2009. In beiden Fällen berücksichtigte sie einen zehnprozentigen Zuschlag (zwei Mal 5 %) aufgrund des Bestehens einer fach- und schwerpunktübergreifenden BAG aus zwei Arztgruppen (hier: Fachärzte für Radiologie und Fachärzte für Nuklearmedizin).
Gegen diese Bescheide erhob die Klägerin am 1. Oktober 2009 (Quartal III/2009) und am 25. Oktober 2009 (Quartal IV/2009) Widerspruch. Neben verschiedenen anderen Punkten beanstandete sie, dass die Regelleistungsvolumina mit einem Zuschlag von 10 % nach § 8 Abs. 3 Unterabsatz 5 Satz 3 Buchst. b HVV versehen waren. Richtig wäre ein Zuschlag in Höhe von vier mal 5 %, d.h. 20 %, gewesen, da in der BAG Fachärzte für Nuklearmedizin, Fachärzte für Radiologie ohne Schwerpunkt und zwei Fachärzte für Radiologie mit den Schwerpunkten Neuroradiologie und Kinderradiologie tätig seien.
Mit Bescheid vom 20. November 2009, umge...