Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Kindergeld für volljähriges Kind. Weiterleitung des Kindergeldes. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. fehlender Abzweigungsantrag
Orientierungssatz
1. Das an den kindergeldberechtigten Elternteil ausgezahlte Kindergeld eines in häuslicher Gemeinschaft lebenden volljährigen Kindes ist dem Kindergeldberechtigten gem § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 als Einkommen zuzurechnen (vgl BSG vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R = BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3 und vom 25.6.2008 - B 11b AS 45/06 R).
2. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch scheidet aus, wenn bereits eine Beratungspflicht des Grundsicherungsträgers fehlt, weil er nicht der zuständige Leistungsträger iS des § 14 SGB 1 ist. Durch einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kann das Fehlen eines bei der Familienkasse zu stellenden Antrags auf Abzweigung des Kindergeldes gem § 74 EStG nicht ersetzt werden. Das von den Eltern an das im Haushalt lebende volljährige Kind weitergeleitete Kindergeld ist nicht als Unterhalt vom zunächst zugeflossenen Einkommen in Höhe des Kindergeldanspruchs gem § 11 Abs 2 SGB 2 abzusetzen.
3. Mit der Weiterleitung des Kindergeldes an ein volljähriges Kind wird dessen Hilfebedürftigkeit gem § 9 SGB 2 nicht beseitigt. Es steht bei grundsätzlicher Hilfebedürftigkeit des Kindergeldberechtigten nicht in dessen Belieben, vorhandenes Einkommen oder Vermögen anderweitig als zur Sicherung des eigenen Lebensunterhalts einzusetzen. Der Kindergeldberechtigte ist nicht verpflichtet, das Kindergeld, das ihm gem § 62 EStG als Anspruchsberechtigter zusteht, an das volljährige Kind weiterzuleiten.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 25. September 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Kindergeld als Einkommen im Rahmen der Berechnung den Klägern bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum 01.03.2006 bis 30.06.2006.
Die 1965 bzw. 1962 geborenen Kläger bewohnten im streitgegenständlichen Zeitraum zusammen mit dem ... 1986 geborenen Sohn der Klägerin zu 2 eine Vierzimmerwohnung. Für den damals 20jährigen Sohn J H erhielt die Klägerin zu 2 monatlich Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR.
Den Antrag der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29.05.2006 zunächst vollständig ab, da keine Hilfebedürftigkeit vorliege. Dagegen legten die Kläger Widerspruch ein und beantragten außerdem die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht Dresden (S 34 AS 904/06 ER). Infolge eines Teilanerkenntnisses der Beklagten im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens erging am 14.06.2006 ein Bewilligungsbescheid zu Gunsten der Kläger, der mit Bescheid vom 04.08.2006 wegen Änderungen in der Kranken- und Pflegeversicherung geändert wurde, jeweils unter Anrechnung des Kindergeldes von 154,00 EUR bei der Klägerin zu 2 als Einkommen. Am 27.07.2006 beantragten die Kläger die Weiterbewilligung der Leistungen. Mit Änderungsbescheid vom 17.08.2006 wurde den Klägern und dem erwachsenen Sohn der Klägerin zu 2 für den Zeitraum 01.07.2006 bis 31.08.2006 Leistungen bewilligt, weil ab 01.07.2006 auch der Sohn J H als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt wurde.
Den Widerspruch der Kläger gegen den Ablehnungsbescheid vom 29.05.2006 in der Fassung des Bewilligungsbescheides vom 04.08.2006 und des Änderungsbescheides vom 14.06.2006 wies die Beklagte zurück. Der Widerspruchsführer habe erklärt, dass seinem Begehren mit dem Bescheid vom 14.06.2006 zum größten Teil entsprochen worden sei. Der Widerspruch richte sich nunmehr noch gegen die Anrechnung des Kindergeldes für den volljährigen Sohn J H bei der Klägerin zu 2, solange dieser nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörte. Das Kindergeld für den im Elternhaushalt lebenden volljährigen Sohn müsse im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II beim Kindergeldberechtigten - hier: bei der Klägerin zu 2 - als Einkommen berücksichtigt werden, unabhängig davon, ob es direkt an den Sohn ausgezahlt werde oder von ihr an ihn weitergeleitet werde. Es könne nur dann bei der Einkommensanrechnung des Kindergeldberechtigten außer Acht gelassen werden, wenn es durch die Familienkasse gemäß § 74 Einkommenssteuergesetz (EStG) an das volljährige Kind abgezweigt werde, oder wenn dieses außerhalb des Haushalts des Kindergeldberechtigten lebe und das Kindergeld nachweislich an dieses ausgezahlt werde. Der Widerspruchsbescheid wurde am 06.11.2006 zugestellt.
Am 05.12.2006 haben die Kläger dagegen beim Sozialgericht Dresden Klage erhoben. Sie haben geltend gemacht, der Sohn der Klägerin zu 2 sei bis 30.06.2006 Auszubildender gewesen und hab...