Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. arbeitnehmerähnliche Tätigkeit. Handlungstendenz. Gefälligkeitshandlung. familiäres Verhältnis. Hilfe beim Baumfällen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Hilfe beim Fällen eines Baumes auf dem Grundstück der Schwester der Ehefrau des Klägers steht nicht gem § 2 Abs 2 S 1 SGB 7 unter Versicherungsschutz. Die Tätigkeit entspricht nach dem Gesamtbild nicht einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit. Der Kläger hat seine Hilfe - anders als bei Arbeitnehmern üblich - unentgeltlich und freiwillig angeboten. Auch die Dauer der Arbeit von einer Stunde spricht nicht für eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit. Zwischen den Bauherren und dem Kläger bestand zudem ein gutes familiäres und darüber hinaus ein freundschaftlich geprägtes Verhältnis.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beigeladenen zu 1) wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 13.02.2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls.

Der 1966 geborene Kläger, der von Beruf Trockenbauer ist, erlitt am 08.01.2005 bei dem von ihm gemeinsam mit der Schwester seiner Ehefrau J… B…, der Beigeladenen zu 4), seinem Schwager M… B…, dem Beigeladenen zu 3), und dessen Vater auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 3) und 4) durchgeführten Fällen eines ca. zehn bis zwölf Meter hohen Baumes einen Unfall. Infolge des Abkippens der Anstellleiter stürzte der Kläger aus einer Höhe von sechs Metern ab. Der Kläger stieg nach seiner Einlassung auf die Leiter, um ein Seil am Baum zu befestigen, um den gefällten Baum wegziehen zu können. Der Baum sollte wegen des geplanten Baus einer Holzlaube gefällt werden. Für das Baumfällen hatte der Kläger eine Stunde eingeplant. Für den Vater des Beigeladenen zu 3) war ebenfalls ein zeitlicher Umfang von einer Stunde vorgesehen. Durch den Sturz zog sich der Kläger eine Oberschenkelmehrfraktur, Fersenbeinfrakturen beidseitig und eine Fraktur des fünften Fingers rechts zu.

Von März 2004 bis Oktober 2004 war auf dem Grundstück das Eigenheim der Eheleute B…, die Arzthelferin und Angestellter von Beruf sind, errichtet worden. Zum Eigenheimbau hatte der Kläger 25 Stunden Hilfe geleistet.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 11.01.2006 die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, weil ein Arbeitsunfall nicht vorliege. Der Kläger habe als Schwager der Bauherrin seit Beginn der Baumaßnahmen insgesamt ca. 25 Stunden am Bau geholfen. Nach Art, Umfang und Zeitdauer handele es sich bei den von ihm durchgeführten Tätigkeiten um Gefälligkeitsdienste, die auf familiäre Bindungen zurückzuführen seien. Gefälligkeitsleistungen unter Verwandten, die von familiären Beziehungen geprägt seien, stünden nicht unter Versicherungsschutz.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.04.2006 zurück. Der Kläger sei nicht wie ein Beschäftigter, d. h. arbeitnehmerähnlich im Sinne des § 2 Abs. 2 Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII), tätig gewesen. Bei Arbeiten unter Verwandten sei darauf abzustellen, ob das Familienmitglied eine Gefälligkeit erweise, welche ihr Gepräge nach Art, Umfang und Zeitdauer durch die familiären Beziehungen erhalte und deswegen nicht gesetzlich arbeitsunfallversichert sei, oder ob es eine ernstliche Tätigkeit sei, die über das hinausgeht, was an Gefälligkeiten unter Verwandten üblich ist. Je enger eine familiäre Gemeinschaft sei, desto größer sei der Rahmen, innerhalb dessen bestimmte Verrichtungen hierdurch ihr Gepräge erhielten. Der Kläger habe mit seiner Hilfeleistung von ca. 25 Stunden eine Tätigkeit erbracht, die nach Art, Umfang und Zeitdauer den Rahmen einer familiären bzw. verwandtschaftlichen Gefälligkeit nicht überschreite.

Der Kläger hat mit der am 26.05.2006 zum Sozialgericht Leipzig (SG) erhobenen Klage sein Begehren weiterverfolgt. Das Baumfällen stehe gemäß § 2 Abs. 2 SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Er sei wie ein Arbeitnehmer tätig geworden. Der Rahmen familiärer bzw. verwandtschaftlicher Gefälligkeit sei überschritten gewesen.

Das SG hat die Unfallkasse Sachsen mit Beschluss vom 18.12.2007, die SIGNAL IDUNA Allgemeine Versicherung AG mit Beschluss vom 31.03.2008 und die Eheleute M… und J… B… mit Beschluss vom 05.08.2008 zum Verfahren notwendig beigeladen.

Es hat mit Urteil vom 13.02.2009 den Bescheid der Beklagten vom 11.01.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 26.04.2006 aufgehoben und die beigeladene Unfallkasse Sachsen verurteilt, das Ereignis vom 08.01.2005 als Unfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung anzuerkennen. Die Zuständigkeit der Unfallkasse ergebe sich aus § 129 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII. Danach sei der Unfallversicherungsträger im kommunalen Bereich für in Eigenarbeit nicht gewerbsmäßig durchgeführte Bauarbeiten zuständig, wenn für die einzelne geplante Bauarbeit...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge