Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Beschränkung des Streitgegenstands. Bestimmung des Beschwerdewerts. konkludente Antragsablehnung. Wahrnehmung des Umgangsrechts mit den minderjährigen getrennt lebenden Kindern. keine Anspruchsgrundlage für Kostenübernahme im SGB 2. Verhältnis von SGB 2 zu SGB 12. ergänzende Sozialhilfe nach § 73 SGB 12. Anspruchsinhaber. Zurechnung. Anwendbarkeit des § 16 SGB 1. unzuständiger Leistungsträger
Leitsatz (amtlich)
1. Die Entscheidung über die mit dem Umgangsrecht verbundenen Bedarfe einerseits und die Entscheidung über die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes bzw über Leistungen für Unterkunft und Heizung andererseits stellen abtrennbare Verfügungen dar.
2. Zur Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstandes bei einer Bescheidungsklage.
3. Eine konkludente Antragsablehnung kann nicht darin gesehen werden, dass im Gerichtsverfahren dem Begehren des Klägers entgegengetreten und Klageabweisung beantragt worden ist.
4. Für die Übernahme der Aufwendungen für die Wahrnehmung des Umgangsrechtes gibt es keine Anspruchsgrundlage im SGB 2.
5. Aus § 5 Abs 2 SGB 2 ergibt sich, dass das SGB 2 im Verhältnis zum SGB 12 kein in sich abgeschlossenes System ist.
6. Ein Anspruch gem § 73 S 1 SGB 12 erfordert eine atypische Bedarfslage. Eine solche kann bei Aufwendungen für die Wahrnehmung des Umgangsrechtes gegeben sein.
7. Anspruchsinhaber für die Leistungen in besonderen Lebenslagen gem § 73 SGB 12 ist der nicht sorgeberechtigte Elternteil, nicht hingegen das Kind.
8. Der gegenüber der Arbeitsgemeinschaft gestellte Antrag des Klägers auf Übernahme der Aufwendungen für die Wahrnehmung des Umgangsrechtes und die damit verbundene Kenntnis von seiner Bedürftigkeit wird dem Sozialhilfeträger zugerechnet.
9. Die Regelungen in § 16 SGB 1 finden auch Anwendung, wenn der Antrag bei einer Arbeitsgemeinschaft gestellt wird.
10. Ein Streit zwischen dem Sozialhilfeträger und dem unzuständigen Leistungsträger, bei dem ein auf eine Sozialhilfeleistung gerichteter Antrag abgegeben worden ist, darüber, ob der Antrag unverzüglich weitergeleitet worden ist, kann niemals zu Lasten des Hilfebedürftigen gehen mit der Folge, dass ein etwaiger Sozialhilfeanspruch im Falle einer verzögerten Übermittlung entfallen wäre.
Tenor
I. Die Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 28. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
II. Die Beigeladene hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beigeladene wendet sich gegen die im Rahmen eines Bescheidungsurteils ausgesprochene Verpflichtung, auch für einen vor dem Zeitpunkt ihrer Beiladung liegenden Zeitraum über die Übernahme der Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Ausübung des Umgangsrechtes stehen, zu entscheiden.
Der 1965 geborene, erwerbsfähige Kläger trennte sich im Januar 2006 von seiner Ehefrau und zog im Mai 2006 von M. nach D. um. Die Ehe wurde mit Urteil vom 23. Mai 2007 geschieden. Die beiden 1999 und 2002 geborenen gemeinsamen Söhne leben bei der geschiedenen Ehefrau, der vom Amtsgericht M. auch das elterliche Sorgerecht übertragen worden ist. Der Kläger besucht die beiden Kinder alle zwei bis drei Wochen, erstmals am 17. Februar 2006, oder holt sie während der Schulferien oder zu besonderen Anlässen nach D. . Am 30. März 2008 schlossen der Kläger und seine geschiedene Ehefrau eine “Vereinbarung über die Wahrnehmung des Umgangsrechtes„. Danach nimmt der Kläger das Umgangsrecht mit den beiden Kindern “regelmäßig aller 2 Wochen - wie seit März 2006 praktiziert -„ wahr. Weiter wurde vereinbart, dass die jeweiligen Termine individuell mit Rücksicht unter anderem auf die schulischen Belange der beiden Kinder vereinbart werden, und dass die geschiedene Ehefrau hierfür keine Kosten trägt. Der Kläger führt computergestützt eine Liste, in der chronologisch unter anderem die Zeitpunkte der Besuchsfahrten, die Art der Fahrgelegenheiten (Zug, Mitfahrgelegenheit, Mietwagen einschließlich der Anzahl der Mitfahrer), die Übernachtungen sowie die Einzel- und Gesamtkosten je Fahrt aufgeführt sind. Außerdem bewahrt er die entsprechenden Belege auf.
Der Kläger, der am 2. Februar 2006 bereits Arbeitslosengeld II beantragt hatte, stellte mit Schreiben vom 13. März 2006, bei der Beklagten eingegangen am 14.März 2006, einen Antrag auf höhere Leistungen wegen besonderen Mehrbedarfs. Er begründete dies mit der Ausübung des Umgangsrechtes mit seinen beiden Söhnen.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 13. April 2006 Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 2. Februar 2006 bis 31. August 2008. Aufwendungen für die Ausübung des Umgangsrechtes waren nicht berücksichtigt.
Mit Schreiben vom 26. April 2006 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Er fragte unter anderem an, ob sein Antrag vom 13. März 2006 nicht beachtet worden sei.
Die Aufwendungen für die Ausübung des Umgangsrechtes fanden auch in den beiden Änderungsbeschei...