Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Unterkunftskosten. Untermietvertrag unter Verwandten. rechtlicher Bindungswille. keine Anwendung des Fremdvergleichs

 

Orientierungssatz

Abgeschlossene Vereinbarungen unter Verwandten (hier: zwischen Ergänzungsbetreuer und gesetzlicher Vertreter des Hilfebedürftigen) über die Überlassung von Wohnraum können Rechtsgrundlage dafür sein, dass der Sozialhilfeträger tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu übernehmen hat, wenn ein entsprechender rechtlicher Bindungswille der Vertragsparteien besteht (vgl BSG vom 7.5.2009 - B 14 AS 31/07 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 21). Diese Rechtsprechung im Bereich der Grundsicherung nach dem SGB 2 kann ohne Abstriche auf das Recht der Grundsicherung nach dem SGB 12 übertragen werden.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 25.08.2011; Aktenzeichen B 8 SO 1/11 B)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 3. April 2008 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Mit seiner Berufung erstrebt der Beklagte die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung, mit der er verpflichtet wurde, der Klägerin Kosten der Unterkunft nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII - zu bewilligen.

Die voll erwerbsgeminderte und zu 100 % schwerbehinderte Klägerin lebt im Haus ihrer Eltern. Am 18. November 2006 wurde, nachdem der Beklagte einen zuvor geschlossenen Mietvertrag zwischen der durch ihren Vater als Betreuer und ihren Eltern abgeschlossenen Mietvertrag als Insichgeschäft abgelehnt hatte, durch einen vom Vormundschaftsgericht bestellten Ergänzungsbetreuer und dem Vater der Klägerin erneut ein Mietvertrag abgeschlossen. Danach vermietet der Vater der Klägerin dieser zwei Zimmer sowie ein Bad/WC, insgesamt 30 m², im Obergeschoss des Einfamilienhauses der Eltern an die Klägerin. Die Miete beträgt einschließlich der Nebenkosten 120,00 EUR monatlich.

Mit Bescheiden vom 17. Juli 2006 und 26.07.2006 bewilligte der Beklagte Leistungen nach dem SGB XII ohne Berücksichtigung der Unterkunftskosten.

Am 19. Februar 2007 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung der Unterkunftskosten in Höhe von 120,00 EUR rückwirkend ab 18. November 2006. Der Antrag blieb erfolglos.

Am 26. Juni 2007 beantragte die Klägerin die Überprüfung vorangegangener Verwaltungsentscheidungen mit dem Begehren, Kosten der Unterkunft in Höhe von 120,00 EUR ab dem 18. November 2006 zu berücksichtigen. Mit Bescheid vom 28. September 2007 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2008 zurück. Der Mietvertrag sei ausschließlich zur Erlangung von Sozialleistungen geschlossen worden und daher im Sinne von § 138 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - sittenwidrig. Auch halte der Mietvertrag einem Fremdvergleich nicht stand.

Die gegen die Bescheide vom 29. Juni 2005, 17. Juli 2006, 26. Juli 2007 und 28. September 2007 erhobenen Klagen hat das Sozialgericht verbunden. Nach Abschluss eines Teilvergleichs verblieb der Zeitraum ab Dezember 2006 zwischen den Beteiligten im Streit.

Mit Urteil vom 3. April 2008 hat das Sozialgericht den Beklagten verpflichtet, der Klägerin ab Dezember 2006 Leistungen nach dem SGB XII für die Kosten der Unterkunft nach dem Mietvertrag vom 18. November 2006 zu bewilligen. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Scheingeschäftes seien nicht ersichtlich, der Mietvertrag sei auch nicht nach § 138 BGB nichtig. Insbesondere könne es nicht als sittenwidrig betrachtet werden, wenn nahe Verwandte untereinander Mietverträge abschließen, zumal der streitgegenständliche Mietvertrag durch den vormundschaftsgerichtlich bestellten Betreuer abgeschlossen worden sei. Der Mietvertrag halte dem so genannten Fremdvergleich stand, seine Parameter seien hinreichend bestimmt. Nach Ansicht der Kammer widerspreche es auch nicht dem unter fremden Dritten Üblichen, dass ein Mieter oder Untermieter nicht über eine eigene Küche verfüge, sondern die Küche des Hauptmieters bzw. Vermieters nutze. Biete damit der Mietvertrag vom 18. November 2006 eine tragfähige Grundlage zur Geltendmachung von Unterkunftskosten nach § 29 SGB XII, erwiesen sich diese auch als angemessen im Sinne der Vorschrift. Der Pauschalpreis von 120,00 EUR monatlich für die angemieteten 30 m² mit eigener Toilette/Bad sowie Küchenmitbenutzung inklusive aller Nebenkosten sei in jeder Hinsicht angemessen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten vom 26. Mai 2008. Er geht weiterhin davon aus, dass es sich bei dem Mietvertrag um ein Scheingeschäft handelt. Er sei vor dem Hintergrund der Zurückweisung des zuvor geschlossenen Vertrages als Insichgeschäft geschlossen worden. Er diene ausschließlich dazu, die rechtlichen Probleme der vorangegangenen Situation zu umgehen und stelle sich daher als Scheingeschäft dar. Der Mietvertrag scheitere auch am Fremdvergleich. Eine Küchenmit...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?