Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. Merkzeichen G. erhebliche Gehbehinderung. Zulässigkeit der Klage bei Ablehnung durch unzuständige Widerspruchsbehörde. Schwerbehindertenstatus. GdB-Feststellung. Gesamt-GdB-Bildung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird das im Widerspruchsverfahren erstmals beantragte Merkzeichen "G" von der funktional und sachlich unzuständigen Widerspruchsbehörde abgelehnt und mit der Klage geltend gemacht, so ist die Klage nicht unzulässig (vgl BSG vom 28.8.1998 - B 9 SB 13/97 R).

2. Der GdB von 30 für die Psoriasis vermag den im Vordergrund stehenden GdB von 30 für das linke Kniegelenk ausgehend von den Auswirkungen der Psoriasis nach ihrem Schweregrad nicht um mehr als einen GdB von 10 zu erhöhen, weshalb der Gesamt-GdB von 40 zutreffend festgesetzt wurde, zumal nur weitere Einzel-GdB von 10 vorliegen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 16.09.2019; Aktenzeichen B 9 SB 53/19 B)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 20. März 2018 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 und das Merkzeichen „G“.

Der 1965 geborene Kläger wurde im Jahr 1972 als Fußgänger von einem Motorrad erfasst und erlitt dabei unter anderem eine Schädelbasis-, Ober- und Unterschenkelfraktur. Der Kläger ist gelernter Elektromontierer. Seit 2003 ist er arbeitsuchend.

Auf den Antrag des Klägers vom 16.12.2011 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 27.03.2012 einen GdB von 20 wegen einer Funktionsbehinderung linkes Kniegelenk und Schuppenflechte fest.

Am 28.04.2015 stellte der Kläger beim Beklagten einen Antrag auf Erhöhung des GdB sowie Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen „B". Sein linkes Bein sei seit dem Verkehrsunfall im Jahr 1972 verkürzt. Dies habe zu erheblichen Beschwerden im Bereich der Knie- und Hüftgelenke, des Beckens und Rückens geführt. Er legte den Operationsbericht vom 24.10.1972 bei, ferner Arztberichte vom 16.10.1972, 14.03.1984 und einen Arztbericht des Facharztes für Orthopädie Dipl.-Med. Z. vom 06.10.2004 mit der Diagnose einer posttraumatischen Gonarthrose am linken Kniegelenk.

In dem von dem Beklagten eingeholten Befundbericht vom 04.08.2015 berichtete der Facharzt für Orthopädie Dr. med. C., im Röntgenbefund vom 14.01.2014 habe sich eine erheblich fortgeschrittene Gonarthrose im linken Kniegelenk gezeigt, weshalb die Einweisung zur Implantation einer Knieendoprothese (Knie-TEP) erfolgt sei. Aufgrund spontaner Besserungstendenzen habe sich der Kläger keiner Operation unterzogen.

Nach Einholung von Befundberichten nahm Dr. med. Y. vom versorgungsärztlichen Dienst des Beklagten unter dem 18.09.2015 Stellung und empfahl für die Funktionsbehinderung linkes Kniegelenk (Bewegungsmaße bei Extension/Flexion von 0-0-120°) - eher wohlwollend - einen GdB von 20, der Wirbelsäule einen GdB von 10 und für die Schuppenflechte einen GdB von 20, insgesamt einen GdB von 20.

Darauf gestützt stellte der Beklagte mit Bescheid vom 21.09.2015 einen Gesamt-GdB von 20 mit folgenden Funktionsbeeinträchtigungen fest:

1. Funktionsbehinderung linkes Kniegelenk

2. Schuppenflechte

3. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule.

Die Zuerkennung des Merkzeichens „B“ lehnte der Beklagte ab.

Dagegen erhob der Kläger am 30.09.2015 Widerspruch und beantragte am 23.10.2015 die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G". Außerhalb der Wohnung könne er sich nur noch mit Unterarmgehstützen oder dem Fahrrad fortbewegen. Durch den Beckenschiefstand und die Beinverkürzung erleide er erhebliche Schmerzen. Bei der Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln entstünden ihm erhebliche Kosten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2015 wies der Kommunale Sozialverband

Sachsen den Widerspruch gestützt auf die ergänzende Stellungnahme von Dr. med. Y. vom 13.11.2015 als unbegründet zurück. Der Gesamt-GdB betrage weiterhin 20. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen „G“ lägen nicht vor. Die Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks sei aufgrund der Bewegungsmaße bei Extension/Flexion von 0-0-120 mit einem GdB von 20 zu bewerten, die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bei einem Finger-Boden-Abstand von lediglich 3 cm mit einem GdB von 10 und die Schuppenflechte mit einem GdB von 20. Für die Funktionsbehinderung des Beckens, die Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenks und die Beinverkürzung links von 1,5 cm sei kein GdB zu vergeben. Die Beinverkürzung sei durch eine Schuhzurichtung vom Orthopädieschuhmacher ausgleichbar und erst bei 2,5 cm mit einem GdB von 10 zu bewerten.

Dagegen hat der Kläger am 23.12.2015 beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage erhoben. Seine Bewegungsfähigkeit insbesondere im Bereich der rechten Hüfte und nicht der linken, wie im Widerspruchsbescheid fälschlicherweise genannt, sei deutlich eingeschränkt. Er leide unter erheblichen Schmerzen. Die Schuppenflechte habe mittlerweile g...

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