Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldrecht. Bildung und Teilhabe. angemessene Lernförderung. Begriff. wesentliche Lernziele. schulrechtliche Bestimmungen in Sachsen. Eignung und Erforderlichkeit der Lernförderung
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Begriff der Lernförderung in § 28 Abs 5 SGB II.
2. Schulische Angebote der Lernförderung sind von der Schule selbst angebotene Maßnahmen, strukturelle Förderungen, wie Förderkurse oder Hausaufgabenhilfe.
3. Die wesentlichen Lernziele eines Schülers sind nicht abstrakt, sondern im jeweiligen Einzelfall differenzierend nach Schulform und Klassenstufe anhand der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen zu ermitteln.
4. Nach den schulrechtlichen Bestimmungen des Freistaates Sachsen ist auch in einer 3. Klasse in einer Grundschule die Versetzung in die 4. Klasse ein wesentliches Lernziel. Zum Ziel der Versetzung in die nächsthöhere Klasse tritt jedoch in der Grundschule und damit auch in der 3. Klasse als weiteres wesentliches Lernziel die Verschaffung von Kulturtechniken hinzu.
5. Zur Eignung und zusätzlichen Erforderlichkeit einer außerschulischen Lernförderung.
Normenkette
SGB II § 28 Abs. 5; BKGG § 6b Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 5; SOGS § 13 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, §§ 13a, 14 Abs. 4, §§ 15, 22; SchulG § 35 Abs. 1, § 59 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1; GG Art. 30, 70 Abs. 1
Tenor
I. Das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 25. September 2013 sowie der Bescheid des Beklagten vom 10. Januar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2013 werden aufgehoben.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Leistungen zur Bildung und Teilhabe in Höhe von insgesamt 351,00 EUR zu zahlen.
II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenübernahme für eine die schulischen Angebote ergänzende Lernförderung als Leistung zur Bildung und Teilnahme nach § 6b des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) i. V. m. § 28 Abs. 5 des Sozialgesetzbuches Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) für das Schuljahr 2010/2011 streitig.
Die Klägerin lebt in einem gemeinsamen Haushalt mit ihrem im Dezember 2001 geboren Sohn F…, für den sie Kindergeld nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes bezieht. Im streitigen Zeitraum erhielt die Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Ihr Sohn erhielt von Seiten des Beklagten Wohngeld sowie Leistungen für Bildung und Teilhabe unter anderem für die Teilnahme an der schulischen Mittagsverpflegung. Im Schuljahr 2010/2011 besuchte er die 3. Klasse der D...-Grundschule in D…. Seine Noten betrugen ausweislich der Halbjahresinformation der Grundschule vom 1. Februar 2011 im Fach Mathematik “3+„ und im Fach Deutsch “4+„. In beiden Fächern besuchte er regelmäßig den von der Schule angebotenen Förderunterricht.
Am 26. April 2011 meldete die Klägerin ihren Sohn bei der Fa. S… in D…, einem im Bereich des Nachhilfeunterrichts professionell tätigen Unternehmen, ab 1. Mai 2011 für den Nachhilfeunterricht in den Fächern Mathematik und Deutsch an. Der Unterricht erfolgte zweimal wöchentlich für jeweils eine Stunde pro Fach. Die Unterrichtsgebühr betrug monatlich 117,00 EUR. Insgesamt besuchte das Kind den Nachhilfeunterricht für die Dauer von drei Monaten.
Am 5. Mai 2011 beantragte die Klägerin für ihren Sohn Leistungen für Bildung und Teilhabe für eine außerschulische Lernförderung. Im Antragsformular bestätigte die Klassenlehrerin H… W… den Lernförderbedarf in der Klassenstufe 3 für die Fächer Deutsch und Mathematik und gab an, dass im Fall der Erteilung von Lernförderung eine positive Versetzungsprognose gegeben sei. Ergänzend bescheinigte sie am 16. Juni 2011, dass der Sohn der Klägerin regelmäßig den Unterricht der Klasse 3c besuche und am schulischen Förderunterricht teilnehme. Es sei nicht versetzungsgefährdet. Das Kind erarbeite sich jedoch jede Note mit sehr viel außerordentlichem Fleiß und Lernarbeit. Deshalb sei sehr zu begrüßen, wenn er zusätzlich individuelle Lernförderung erhalte. Damit könne einem möglichen Leistungsversagen vorgebeugt und der Lernwille positiv unterstützt werde. Am 30. Juni 2011 legte die Klägerin eine weitere Bestätigung der Klassenlehrerin vom 24. Juni 2011 über die Notwendigkeit von Lernförderung in der Klassenstufe "3 bzw. 4" für die Fächer Deutsch und Mathematik vor, worin diese erneut bestätigte, dass im Fall der Erteilung von Lernförderung eine positive Versetzungsprognose bestehe. Die Lehrerin vermerkte zudem, dass nach ihrer Auffassung die Versetzung nicht erst gefährdet sein müsse.
Der Sohn der Klägerin wurde in der Folge in die 4. Klasse versetzt und erreichte ausweislich des Jahreszeugnisses für die 3. Klasse vom 8. Juli 2011 in den Fächern Deutsch und Mathematik jeweils die Note “3„.
Mit Bescheid vom 10. Januar 2012 lehnte der Beklagte den Antrag auf Übernahme der Kosten der Lernförderung ab. Zur Begründung gab er an, dass die Versetzung ...