Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Berufungseinlegung. elektronischer Rechtsverkehr. gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Streitigkeit am Arbeitsplatz. Aufhängen privater Bilder im Arbeitszimmer. Schriftform. Qualifizierte elektronische Signatur

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Einlegung der Berufung durch elektronische Übermittlung eines im Original unterschriebenen eingescannten Schriftsatzes, der qualifiziert elektronisch signiert ist, ist auch dann formwirksam, wenn der Inhaber der qualifizierten elektronischen Signatur nicht mit dem Urheber des eingescannten Schriftsatzes übereinstimmt.

2. Eine handgreifliche Auseinandersetzung am Arbeitsplatz, deren Auslöser Streit um die vom Arbeitgeber geduldete Ausgestaltung eines Gemeinschaftsbüros mit privaten Bildern ist, unterfällt nicht dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

 

Orientierungssatz

Eine solche Übereinstimmung ist nur dann notwendig, sofern für den einzureichenden Schriftsatz die Schriftform vorgeschrieben ist und der Schriftsatz rein elektronisch erstellt - also nicht im Original eigenhändig unterschrieben - ist.

 

Normenkette

SGB VII § 8 Abs. 1, § 2 Abs. 1 SGG § 65a Abs. 1, § 151 Abs. 1

 

Tenor

I. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 2. Januar 2012 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalls im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die 1964 geborene Klägerin war bei der Technischen Universität D… als Medizinisch-technische Radiologieassistentin beschäftigt und im Neuroimaging Center tätig. Zu ihren arbeitsvertraglichen Aufgaben gehörten u.a. die eigenständige Durchführung der MRT und fMRT-Messungen an Patienten und Probanden, Mitwirkung bei pharmakologischen Challenge-Untersuchungen oder Gabe von Kontrastmitteln durch ärztliche Mitarbeiter, Blutabnahme und Laboruntersuchungen unter ärztlicher Supervision, Anleitung und Ausbildung der Studenten, Diplomanden, Doktoranden und wissenschaftlichen Mitarbeiter in Technik, Sicherheit und Bedienung des MRT, Messungen, Mitwirkung bei Versuchsdurchführungen, Organisation und Betreuung des gesamten logistischen Betriebes, insbesondere der Probanden und Patienten sowie Übernahme von administrativen und allgemeinen organisatorischen Aufgaben des Zentrums (vgl. Arbeitsvertrag vom 06.03.2007). Sie teilte sich ein Büro mit dem Technischen Leiter des Zentrums (Prof. Dr. H…) sowie einer Sekretärin. Anlässlich des Bezugs des Büros war nach Angaben der Klägerin zwischen ihnen verabredet, dass “das Anbringen von persönlichen Bildern und die einzelnen Standorte der Bilder gemeinsam abgestimmt„ werden sollten. Prof. Dr. H… brachte “seine persönlichen Bilder direkt hinter (dem) Arbeitsplatz„ der Klägerin an, die diese entfernte, als Prof. Dr. H… nicht zugegen war. Es handelte sich um laminierte Vergrößerungen von privaten Landschaftsaufnahmen, die mit Pin-Nadeln befestigt waren. Ausweislich der Unfallanzeige der Klägerin war Prof. Dr. H… hierüber so wütend, dass er die Klägerin am 17.06.2009, als sie mit ihm hierüber sprechen wollte, am Arm packte, an die Wand zerrte und ihr ins Gesicht schlug. Gegenüber der Reha-Beraterin der Beklagten schilderte die Klägerin am 16.12.2009, dass sie Prof. Dr. H…, als dieser die Fotos erneut anbrachte, zur Rede gestellt habe. Er habe sie dabei mit der Schulter abgedrängt und sich furchtbar aufgeregt. Er sei um die drei Schreibtische herumgelaufen, habe sie beschimpft und einen Urlaubskalender von der Türwand abgerissen. Als sie zurückgeschrien habe, habe er sie ins Gesicht geschlagen.

Bei einer Konsultation der Klägerin in der Praxis der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. M… wurden am 18.06.2009 Hämatome im Bereich des linken unteren Auges, des linken Oberarmes sowie am Übergang der Schläfe zur Stirn festgestellt. Am 18.06.2009 erstattete die Klägerin Strafanzeige wegen Körperverletzung gegen Prof. Dr. H…. Das Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 153a Abs. 1 Strafprozessordnung nach Zahlung von 1.500,00 € durch Prof. Dr. H… zugunsten des Weißer Ring e.V. eingestellt.

Mit Bescheid vom 19.01.2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 17.06.2009 als Arbeitsunfall ab. Zum Unfallzeitpunkt sei die Klägerin keiner versicherten Tätigkeit nachgegangen. Sie sei nicht vom Arbeitgeber mit der Gestaltung des Arbeitsraumes betraut gewesen. Durch das Abnehmen der Bilder habe sie den Streit mitverursacht. Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchbescheid vom 15.07.2010). Die Beklagte wiederholte ihre Auffassung, dass das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet habe, nicht der versicherten Tätigkeit der Klägerin als Medizinisch-technische Radiologieassistentin zuzurechnen sei. Zwar könnten auch tätliche Auseinandersetzungen am Arb...

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