Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Studenten. abstrakte Förderungsfähigkeit des Studiums auch während eines Urlaubssemesters

 

Orientierungssatz

1. Voraussetzung für die Förderungsfähigkeit einer Ausbildung dem Grunde nach iS des § 7 Abs 5 S 1 SGB 2 aF ist zunächst der Besuch einer Ausbildungsstätte iS der organisatorischen Zugehörigkeit zu dieser Ausbildungsstätte (vgl BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 24/09 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 20).

2. Die Förderungsfähigkeit einer Hochschulausbildung führt bei gegebener Immatrikulation zum Ausschluss von Leistungen nach dem SGB 2, ohne dass es darauf ankäme, ob das Studium betrieben wird (vgl LSG Chemnitz vom 29.6.2010 - L 7 AS 756/09 B ER und vom 11.4.2011 - L 7 AS 664/10).

3. Auch während eines Urlaubssemesters ist der Besuch einer Ausbildungsstätte iS der organisatorischen Zugehörigkeit zu dieser Ausbildungsstätte nicht unterbrochen und das Studium kann nach den hochschulrechtlichen Vorschriften betrieben werden (vgl LSG Chemnitz vom 30.11.2010 - L 3 AS 649/10 B ER = NZS 2011, 675).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 22.08.2012; Aktenzeichen B 14 AS 197/11 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 15. Juli 2010 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 11.08.2009 bis 31.03.2010.

Die 1979 geborene Klägerin und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Klägerin) studiert seit dem Wintersemester 1999/2000, zuerst an der Universität R... . Seit dem 13.10.2003 ist sie an der Hochschule f... G... u... B... L... (HGB) im Studiengang Medienkunst eingeschrieben und war laut Immatrikulationsbescheinigung der HGB im Sommersemester 2009 beurlaubt (15 Hochschulsemester, davon 11 Fachsemester; 1 Urlaubssemester). Sie bewohnte im streitigen Zeitraum ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft, für das sie nach ihren Angaben monatlich 247,38 EUR in bar entrichtete.

Am 11.08.2009 beantragte die Klägerin beim Beklagten und Berufungskläger (im Folgenden: Beklagter) Leistungen nach dem SGB II. Zur Begründung gab sie an, sie habe in Vorbereitung auf ihren Diplomabschluss in Absprache mit ihrem Professor das Sommersemester 2009 und das Wintersemester 2009/2010 als Urlaubssemester genehmigt bekommen, um in Form eines Praktikums ihren Abschluss vorzubereiten und zu sichern. Sie werde das Studium im Sommersemester 2010 weiterführen und voraussichtlich im Wintersemester 2011 beenden. Bis 31.07.2009 habe sie einen Tutorenvertrag an ihrer Hochschule gehabt, da ihr Praktikum bis dahin nur drei Tage die Woche betragen habe. Danach sei sie auf politischer Bildungsreise in Russland gewesen und absolviere nun seit 13.08.2009 bis 30.10.2009 ihr Praktikum fünf Tage die Woche. Außerdem habe sie 500,00 EUR Übungsleiterpauschale erhalten, Geld bei Freunden geliehen, das sie zurückzahlen müsse, und den Dispokredit von 1.000,00 EUR ausgereizt. Sie übergab Bestätigungen der N... G... f... B... K... e.V. (...) über eine ehrenamtliche Tätigkeit von 01.06.2009 bis 30.08.2009, für die sie 500,00 EUR erhalten habe, sowie für ein Praktikum von 01.04.2009 bis 30.10.2009 und für die Weiterführung des Praktikums vom 15.11.2009 bis 15.02.2010. Am 15.10.2009 legte die Klägerin eine Immatrikulationsbescheinigung der HGB vom 13.10.2009 vor, wonach sie seit dem 13.10.2003 eingeschrieben und im Wintersemester 2009/2010 beurlaubt war. Die Regelstudienzeit für den Diplomstudiengang Medienkunst betrage zehn Semester.

Mit Bescheid vom 16.10.2009 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin unter Bezugnahme auf § 7 Abs. 5 und Abs. 6 SGB II ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch vom 23.10.2009 wies er mit Widerspruchsbescheid vom 04.11.2009 als unbegründet zurück.

Am 26.11.2009 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Leipzig Klage erhoben und gleichzeitig die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt.

Im gerichtlichen Eilverfahren hat die Klägerin den Bescheid der HGB vom 05.08.2009 vorgelegt, mit dem sie für das Wintersemester 2009/2010 vom Studium beurlaubt wurde. Die Entscheidung ergehe unter der Auflage, einen Nachweis über die studienbegleitende praktische Tätigkeit bis spätestens 15.09.2009 nachzureichen. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 3 Immatrikulationsordnung der HGB könne ein Student auf Antrag insbesondere für eine dem Studienziel dienende praktische Tätigkeit beurlaubt werden. Eine Bestätigung, wonach sie das Pflichtpraktikum gemäß Studienordnung bereits absolviert habe, liege vor. Die Klägerin hat ferner eidesstattlich versichert, dass sie bisher ihr Studium durch Unterhaltsleistungen und Erwerbstätigkeit finanziert habe. Das Praktikum habe sie bereits am 01.04.2009 begonnen. Es sei so ausgestaltet gewesen, dass sie flexible Arbeits- ohne feste Anwesenheitszeiten gehabt habe. Da sie momentan weder...

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