Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Vermögenseinsatz. aktuelle Rückkaufsansprüche bezüglich privater Rentenversicherungen sowie Guthaben auf Girokonto. Verwertbarkeit. Verfügbarkeit. konkreter Bedarfszeitraum. Verwertungsausschluss. Schonvermögen. Privilegierung staatlich geförderten Altersvorsorgevermögens. keine Ungleichbehandlung iS des Art 3 Abs 1 GG. Härte. offensichtliche Unwirtschaftlichkeit

 

Orientierungssatz

1. Vermögen gem § 90 Abs 1 SGB 12 sind alle beweglichen oder unbeweglichen Güter und Rechte in Geld oder Geldeswert. Umfasst werden auch Forderungen bzw Ansprüche gegen Dritte. Vermögen sind daher sowohl aktuelle Rückkaufsansprüche bezüglich privater Rentenversicherungen als auch Guthaben auf einem Girokonto.

2. Nicht verwertbar sind Vermögensgegenstände nach § 90 Abs 1 SGB 12, über die der Inhaber nicht verfügen darf (zB bei Insolvenz, Beschlagnahme, Verpfändung sowie auch durch Veruntreuung erlangtes Vermögen, welches zurückgegeben werden muss). Ebenfalls nicht verwertbar ist Vermögen, dass von der Pfändung, insbesondere nach §§ 811ff ZPO, ausgenommen ist. Eine angeordnete Betreuung steht der Verfügbarkeit nicht entgegen. Einem Betreuten ist das Handeln bzw Unterlassen seines Betreuers als gesetzlicher Vertreter gem §§ 1902, 278 BGB zuzurechnen.

3. Vermögenswerte, deren Verwertung eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, oder Forderungen, die erst später fällig werden - soweit eine vorherige Kündigung erforderlich ist - sind grundsätzlich als verwertbar iS des § 90 Abs 1 SGB 12 anzusehen. Dies gilt auch für Sparkonten, Rückkaufswerte von Lebensversicherungen und Bausparverträge.

4. Der Verwertung von Rückkaufswerten aus privaten Rentenversicherungen steht § 90 Abs 2 SGB 12 nicht entgegen. Die Privilegierung des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens nach § 90 Abs 2 Nr 2 SGB 12 gegenüber anderen Anlageformen, wie den hier vereinbarten privaten Rentenversicherungen, stellt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung iS von Art 3 Abs 1 GG dar.

5. Kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte iS von § 90 Abs 2 Nr 9 SGB 12 sind, wenn die Sozialhilfe vom Vermögen der nachfragenden Person abhängig ist, bei den Leistungen nach dem 5. bis 9. Kapitel des SGB 12 Beträge bzw Werte bis zu 2600 Euro.

6. Die Verwertung privater Rentenversicherungen stellt nur dann eine Härte iS von § 90 Abs 3 SGB 12 dar, wenn das Vermögen auch tatsächlich zur Altersvorsorge bestimmt ist. Daher ist erforderlich, dass der Sozialhilfeempfänger eine entsprechende Vermögensdisposition getroffen hat, die es ihm erlaubt, das Vermögen erst nach Eintritt in den Ruhestand zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu verwenden. Geeignet hierfür wäre ein Verwertungsausschluss iS des § 165 Abs 3 VVG aF, so dass das Vermögen nicht zu anderen Zwecken verwertet werden kann. Für die Bestimmung des Vermögenswertes zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung ist allein die subjektive Bestimmung nicht ausreichend. Bereits die Rechtsprechung zu der Vorgängernorm des § 88 BSHG, auf die zurückgegriffen werden kann, verlangte eine (hinreichend gesicherte) objektive Eignung (vgl BVerwG vom 13.5.2004 - 5 C 3/03 = BVerwGE 121, 34, LSG Berlin-Potsdam vom 5.4.2006 - L 23 B 19/06 SO ER zu § 90 Abs 3 S 2 SGB 12, LSG Stuttgart vom 22.2.2008 - L 2 SO 233/08 ER-B = FEVS 59, 572, LSG Darmstadt vom 29.7.2008 - L 7 SO 133/07 ER = FEVS 60, 212, BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 68/06 R = SozR 4-4200 § 12 Nr 8 zu § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB 2).

7. Maßgebend für die Bewertung des gegebenenfalls zu berücksichtigenden Vermögens ist stets der aktuelle Bedarfszeitraum, sodass es auf das in diesem Zeitraum vorhandene Vermögen ankommt (vgl BVerwG vom 19.12.2007 - 5 C 7/96 = BVerwGE 106, 105 zu § 88 BSHG, BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 68/06 R aaO, LSG Chemnitz vom 13.5.2008 - L 2 AS 143/07). Ein erst später vereinbarter Verwertungsausschluss kann nicht berücksichtigt werden.

8. Eine Verpflichtung zur Verwertung des Rückkaufswertes bezüglich einer privaten Rentenversicherung bedeutet eine Härte iS von § 90 Abs 3 S 1 SGB 12, wenn eine solche Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist. Ausgehend davon, dass eine offensichtlich unwirtschaftliche Vermögensverwertung eine Härte iS von § 90 Abs 3 S 1 SGB 12 darstellen kann, greift der erkennende Senat zur Beurteilung, wann eine solche Härte anzunehmen ist, auf die Kriterien zurück, die zum Arbeitslosenhilferecht und zum SGB 2 für die Verwertung von Lebensversicherungen entwickelt worden sind. So hat das BSG eine mögliche Grenzziehung zu § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB 2 skizziert und hierbei Verluste von mehr als 10% als möglicherweise noch im Bereich des Wirtschaftlichen liegend betrachtet, hingegen Zweifel bei einem Verlust von 18,5% (bei rein isolierter Betrachtung des Verhältnisses von eingezahlten Beiträgen und Rückkaufswert) angemeldet (vgl BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 66/06 R = BSGE 99, 77 = SozR 4-4200 § 12 Nr 5). Umfasst der Rückkaufswert einer privaten Rentenversicherung lediglich 59% der ein...

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