Entscheidungsstichwort (Thema)
Hemmung der Verjährung des Rückzahlungsanspruchs einer Krankenkasse gegen ein Krankenhaus durch MDK-Prüfung. Krankenhaus. Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung nach dem DRG-System. Vergütung nach der DRG-Fallpauschale F60A statt der DRG-Fallpauschale F60B. Ausschlusses des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs einer Krankenkasse. Annahme eines Rechtsmissbrauchs durch die Krankenkasse
Leitsatz (amtlich)
Die Einleitung der Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung nach § 275 Abs. 1 SGB V hemmt in entsprechender Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB die Verjährung des Rückzahlungsanspruchs einer Krankenkasse gegen ein Krankenhaus.
Orientierungssatz
1. Zur Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung nach der DRG-Fallpauschale F60A statt der DRG-Fallpauschale F60B, wenn als Nebendiagnose weder die ICD-10 J90 (Pleuraerguss, anderenorts nicht klassifiziert) noch die ICD-10 J20.9 (akute Bronchitis, nicht näher bezeichnet) kodiert werden durfte.
2. Zur Frage des Ausschlusses des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs einer Krankenkasse infolge einer zunächst erfolgten Zahlung oder einer MDK-Prüfung des streitigen Behandlungsfalls nach Ablauf der 6-Wochen-Frist des § 275 Abs 1c S 2 SGB 5 oder einer 30-Tage-Frist des Sicherstellungsvertrages oder wegen einer Verletzung des Beschleunigungsgebotes nach der Rechtsprechung des BSG (vgl BSG vom 28.9.2006 - B 3 KR 23/05 R = SozR 4-2500 § 112 Nr 6 Rn 13 und vom 28.2.2007 - B 3 KR 12/06 R = BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1 Rn 19 und vom 17.12.2009 - B 3 KR 12/08 R = BSGE 105, 150 Rn 13 = SozR 4-2500 § 109 Nr 20) unter Berücksichtigung des Beschlusses des Großen Senats des BSG vom 25.9.2007 - GS 1/06 = BSGE 99, 111 Rn 27ff = SozR 4-2500 § 39 Nr 10).
3. Zur Annahme eines Rechtsmissbrauchs durch die Krankenkasse bei Einleitung einer Prüfung durch den MDK erst kurz vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist.
Verfahrensgang
SG Leipzig (Urteil vom 21.04.2010; Aktenzeichen S 8 KR 384/09) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 21. April 2010 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 723,21 € festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Vergütung von Leistungen der stationären Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin betreibt ein in den Krankenhausplan des Freistaates Sachsen aufgenommenes Krankenhaus. Darin wurde vom 28.01.2004 bis 09.02.2004 ein Versicherter der beklagten Krankenkasse behandelt, wegen akuten Myokardinfarktes aufgenommen worden war. Diese Krankenhausbehandlung rechnete die Klägerin auf der Grundlage der Fallpauschale für die Diagnosis Related Group (DRG) F60A (in Höhe von 3.593,89 € abzüglich Verlegungsabschlag von 474,74 €) ab; dabei kodierte sie als Hauptdiagnose ICD-10 I29.9 (akuter Myokardinfarkt, nicht näher bezeichnet) und als Nebendiagnosen u.a. ICD-10 J90 (Pleuraerguss, anderenorts nicht klassifiziert) und J20.9 (akute Bronchitis, nicht näher bezeichnet). Mit Schreiben vom 22.10.2008 zeigte der Medizinische Dienst des Bundeseisenbahnvermögens (MD-BEV) der Klägerin eine Überprüfung der Kodierung der Nebendiagnosen an und bat um Übersendung der Behandlungsunterlagen. Nach deren Vorlage führte der MD-BEV in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 28.02.2009 aus, der Versicherte sei wegen einer NSTEMI (Non-ST-elevation myocardial infarction) mit konsekutiver dekompensierter Myokardinsuffizienz stationär aufgenommen worden. Im Rahmen der kardialen Dekompensation hätten beidseits deutliche Pleuraergüsse bestanden. Unter diuretischer Therapie und Flüssigkeitsbilanzierung habe eine kardiale Rekompensation und insbesondere die Regredienz der beidseitigen Pleuraergüsse erreicht werden können. Der beidseitige kardial bedingte Pleuraerguss sei bei bekannter Ätiologie gemäß Deutschen Kodierrichtlinie (DKR) D012a „Kreuz-Stern-System„ mit dem Sekundärkode J91Stern (Pleuraerguss bei anderenorts klassifizierten Krankheiten) zu verschlüsseln. Der Kode J90 entfalle somit. Des Weiteren entfalle der Kode J20.9. Im stationären Behandlungsverlauf habe weder eine akute Bronchitis bestanden noch sei das Patientenmanagement gemäß DKR D003b bzw. DKR D008b beeinflusst worden. Mit Schreiben vom 13.03.2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, nach dieser gutachterlichen Stellungnahme des MD-BEV sei die Krankenhausbehandlung mit der DRG-Fallpauschale F60B (in Höhe von 2.395,33 € ohne Verlegungsabschlag) abzurechnen, und kündigte die Verrechnung mit dem sich daraus ergebenden Differenzbetrag von 723,21 € an. Am 20.04.2009 erklärte die Beklagte die Aufrechnung mit einer anderen Vergütungsforderung der Klägerin (über 2.047,08 € für eine Krankenhausbehandlung vom 08.04.2009 bis 10.04.2009).
Die Klägerin hat am 07.10.2009 beim Sozialgericht Leipzig (SG) Klage auf Zahlung dieses Differenzbet...