Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Sonderbedarf. Wohnungserstausstattung. Antragserfordernis. keine rückwirkende Leistungserbringung. keine restriktive Auslegung des § 23 Abs 3 SGB 2. Erstausstattungsbegriff. Bedarfsdeckung nach Antragstellung wirkt nicht anspruchsvernichtend
Orientierungssatz
1. Das Antragserfordernis aus § 37 Abs 1 SGB 2 gilt für alle Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, auch für Leistungen für Erstausstattung der Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten.
2. Leistungen zur Wohnungserstausstattung sind dem Antrag auf laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erkennbar mit inbegriffen, denn sie betreffen einen speziellen, mit dem Bezug einer Wohnung verbundenen einmaligen Bedarf.
3. Ein Antrag nach § 37 Abs 1 SGB 2 hat konstitutive Wirkung, dh ohne ihn sind keine Leistungen zu erbringen. Der Antrag wirkt ex nunc, dh grundsätzlich erfolgt keine rückwirkende Leistungserbringung. Dies hat zur Folge, dass die bis zu diesem Tage entstandenen Kosten für die Erstausstattung der Wohnung nicht vom Grundsicherungsträger zu erstatten sind. Für die in § 23 Abs 3 S 5 SGB 2 eröffnete Ermessensbetätigung ist kein Raum.
4. Von § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 2 werden nicht nur Haftentlassene oder von Wohnungsbrand Betroffene umfasst. Eine Beschränkung des Kreises der Begünstigten in dem beschriebenen Sinne durch eine restriktive Auslegung des § 23 Abs 3 SGB 2 findet im SGB 2 keine Stütze.
5. Gegenstände wie Spiegelschrank, Rollwagen, Schuhschrank und Tisch sind nicht deswegen von der Leistungspflicht des Grundsicherungsträgers ausgenommen, weil sie nicht mehr von dem Begriff der Erstausstattung umfasst wären. Der Begriff der Erstausstattung für Wohnung einschließlich Haushaltsgeräte ist umfassend und darf nicht zu eng ausgelegt werden.
6. Bei einer Bedarfsdeckung nach Antragstellung ist die zwischenzeitlich erfolgte Bedarfsdeckung - wie hier zB durch Dritte - zumindest dann nicht anspruchsvernichtend, wenn ein längeres Zuwarten auf die Entscheidung über die Wohnungserstausstattungsgewährung aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar erscheint und der Grundsicherungsträger bereits darauf hingewiesen hat, dass die Entscheidung negativ ausfallen werde.
Nachgehend
Tenor
I. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 25. Juni 2007 wird abgeändert.
Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 13. Dezember 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2006 verurteilt, über den Antrag des Klägers auf Bewilligung einer Beihilfe zur Erstausstattung seiner Wohnung vom 27. Oktober 2005 insoweit erneut zu entscheiden, als nach dem 27. Oktober 2005 Aufwendungen für einen Spiegelschrank, einen Rollwagen, einen Schuhschrank und einen Tisch entstanden sind.
II. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, über den Antrag des Klägers auf Gewährung einer einmaligen Beihilfe zur Erstausstattung einer Wohnung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Der am …1963 geborene Kläger mietete gemäß Mietvertrag vom 20. September 2005 mit Wirkung ab dem 19. September 2005 eine Wohnung in L.. Er stellte am 26. September 2005 bei dem Beklagten einen formlosen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Den ausgefüllten Antrag gab er am 27. Oktober 2005 nebst Anlagen beim Beklagten ab. Am gleichen Tage stellte er zunächst formlos den Antrag auf die vorliegend streitige Leistung. Das Antragsformular wurde “ohne Förderzusage„ ausgegeben.
In dem hierauf bezogenen am 1. November 2005 an den Beklagten zurückgereichten Antragsformulare führte der Kläger zur Begründung seines Antrages aus, er sei aus gesundheitlichen Gründen von G. nach L. zurückgekehrt. In G. habe er in einem möblierten Zimmer in einer Pension gewohnt. Eine vom 30. Oktober 2005 datierte Bestätigung seines dortigen Vermieters darüber, dass er keine Möbel mitgebracht oder mitgenommen habe und die dortigen Fremdenzimmer möbliert seien, fügte er dem Antragsformular bei.
Bei einem Hausbesuch am 30. November 2005 stellte der damit beauftragte Prüfer des Beklagten fest, dass bei der vorgefundenen Wohnungseinrichtung keine zusätzliche Ausstattung erforderlich sei.
Mit Bescheid vom 13. Dezember 2005 lehnte der Beklagte den Antrag ab, weil eine Grundausstattung an Möbeln und Haushaltsgeräten bereits vorhandenen gewesen sei.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch, mit dem der Kläger vortrug, das Geld für die Beschaffung des notwendigen Mobiliars und der Haushaltsgeräte hätten ihm seine Eltern vorgeschossen, und er habe aus gesundheitlichen Gründen nicht in einer leeren Wohnungen wohnen und auf dem Fußboden schlafen können, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8...